"Revival" von Stephen King: Der Tod, der Horror und der Blues

2.3.2015, 18:02 Uhr
Der Meister des Horrors: US-Autor Stephen King.

© dpa Der Meister des Horrors: US-Autor Stephen King.

Die Menschen haben für alles eine Lösung. Doch für eine der letzten großen Fragen keine Antwort, schon seit Jahrtausenden nicht: Was liegt hinter dem Horizont, in dem Jenseits, dem Nachleben der Menschen? Gehen die Lichter einfach aus?

Genau bei dieser Frage setzten immer wieder Autoren des Unheimlichen an, H.P. Lovecraft, Edgar Allan Poe und eben Stephen King. Mit seinem neuen Roman „Revival“ gelingt es King nicht nur, diese Frage auf etwas mehr als 500 Seiten auszuloten, sondern sich vor den Großen des Fachs zu verneigen.

Die Wege von den beiden Figuren Jamie Morton und Reverend Charles Jacobs kreuzen sich in "Revivial" bereits in den Sechziger, als Jamie noch ein Kind ist. Der Geistliche kommt kurz nach seiner Ausbildung nach Harlow, einer Kleinstadt in Maine an der Ostküste der USA, ein paar Wochen kann er den Alltag dort mit seiner jungen Familie genießen, bis seine Frau und sein Kind bei einem Autounfall ums Leben kommen. All die Kindergottesdienste, die Nachmittage mit den Einwohnern zerfallen. Fortan zweifelt Jacobs an Gott. Als eine seiner Predigten in einer Hasstirade endet, sieht Jamie den Geistlichen zum letzten Mal für viele Jahre. Doch trotzdem bleiben ihre Leben verbunden.

Auch weil Jacobs mit seinen elektronischen Spielereien tiefen Eindruck bei Jamie hinterlassen hat, Jahre später soll er sogar selbst davon profitieren, als sein ehemaliger Pfarrer ihm von seiner Drogensucht damit befreit. Allerdings geht es Jacobs mit zunehmender Zeit nicht darum, den Menschen zu helfen. Er will einen Blick hinter den Vorhang werfen, hinter den Horizont. Egal, was es kostet. Und sei es sein Verstand.

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King hat in „Revival“ zahlreiche mal mehr, mal weniger offensichtliche Verweise auf die Größen der Horrorliteratur eingebaut. Die gesamte Erzählposition, der erwachsene Jamie, der von seinem Leben erzählt, könnte sich so im Ton auch bei Lovecraft finden. Der Jahrmarkt, auf dem sich Jacobs und Jamie wieder über den Weg laufen, hat die gleichen unheimlichen Zelte und Besucher wie in Ray Bradburys „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“. Und trotzdem bleibt „Revival“ durch und durch ein Roman von King, denn die Kindheit, Jugend, die erste Liebe von Jamie, das amerikanische Lebensgefühl in den Sechzigern könnte niemand so schreiben wie der 67-jährige US-Autor. Hinzukommen zahlreiche Anspielungen auf Blues und Rock aus dieser Zeit.

Seinen Sprachrhythmus hat King noch ein Stück präzisiert, die Dialoge und Figuren waren lange nicht mehr so gut wie in diesem Buch. Jamie weckt die gleichen Sympathien wie Danny Torrance in „Doctor Sleep“. Und auch wenn es lange so aussieht, als ob Jacobs das Monster in diesem Roman ist, tut sich am Ende ein viel größeres Monstrum auf.

Die westliche Gesellschaft hat den Tod aus ihrem Wahrnehmungsfeld verbannt, die Selbstoptimierung, der Drang zur ewigen Jugend, all das zerbricht King in seinem Roman und macht klar: Es gibt eine Sache, der niemand entkommt. Wirklich niemand.

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