Robert Schumann im „Fernduell“

6.12.2016, 19:02 Uhr

Das MCO entwickelt mit Isabelle Faust als Konzertmeisterin eine hinreißende Klangkultur, malt die Reiseeindrücke von samtweichen Wellenbewegungen über kräftigste Crescendi bis zu leidenschaftlichen Klangexplosionen. Das ist der erste Eindruck gleich bei Mendelssohn Bartholdys „Hebriden“-Ouvertüre. Manchmal kuschelt sich das Stück geradezu in die intime Reitstadel-Akustik, dann reißen Horizonte von leuchtend weitem Klang auf – Romantik pur, raffiniert wechselnde Blickwinkel.

Das ergab eine schlüssige Hinführung zu Robert Schumanns „Fantasie“ op. 131 mit ihrem Höchstmaß an virtuosen Herausforderungen: ein Geigenkompendium auf kleinstem Raum. Und Isabelle Faust spielt vor der Kulisse typischen Schumann-Orchester-Klangs dieses hochromantische Stenogramm perfekt bis hin zur erregten Coda: das ganze Romantik-Repertoire in einer Viertelstunde und in paganinihafter Virtuosität. Sogar eine Kadenz hat das konzentrierte Stück. Isabelle Faust spielt hier mit souveräner Bravour, das Publikum ist verblüfft.

Leidenschaftliches Fließen

Genauso wie nach dem Mendelssohn-Violinkonzert: Dafür braucht das MCO keinen Dirigenten, Isabelle Faust setzt als Solistin mitreißende Tempo-Eckpunkte, strahlt Inspiration aus, reißt molto appassionato das exzellent besetzte Orchester mit. Sie spielt mit so einer Intensität, dass man mit ihr so ein populäres Stück neu entdecken kann, die Farben sind nie dickes Öl, sondern immer leuchtendes Acryl. Treffsichere Wirkung in allen Sätzen realisiert Isabelle Faust mit so erstklassigen Kollegen wie dem Cellisten Jens-Peter Maintz auch in Schumanns Streichquartett op. 41/1: schwärmerische Attitüde, leidenschaftliches Fließen, eine auf Brahms vorausweisende Energie.

Das hätte man der früher eher unter „kühl“ einsortierten Faust nicht zugetraut: auf auffälliges Outfit verzichtet sie nach wie vor – aber hier präsentiert sie nicht nur ein inzwischen unverwechselbares Solisten-, sondern auch ein neues Programm-Format: abwechslungsreich, sehr kollegial, ohne verschwitzte Kraftmeierei — in atemberaubender Grandezza küsst sie ihr Stradivari-„Dornröschen“ wach.
UWE MITSCHING

*Das a-moll-Streichquartett von Schumann, das in Neumarkt so viel Eindruck machte, bildete auch den gewichtigen Schlusspunkt beim (halben) Heimspiel des Mandelring-Quaretts. Seit 1995 gehört der Nürnberger Bratschenprofessor Andreas Willwohl zum Team, Cellist Bernhard Schmidt, der an der Hochschule Kammermusik lehrt, ist ohnehin Teil der Stammbesetzung. An den Geigen komplettieren Sebastian und Nannette Schmidt die Formation.

Verbeugung zum Todestag

Die verbeugte sich am 225. Todestag zunächst vor Mozart. Das aparte „Jagdquartett“ mit seinem da-caccia-Beginn geriet federnd, in vitalem Musiziergeist und war im Adagio, dem spirituellen Zentrum, von nobler Grandezza.

Besonders dankbar muss man den Mandelrings sein, dass sie das (im übrigen viel beklatschte!) dritte Streichquartett von Viktor Ullmann (1898-1944) vorbereitet hatten. Man ist einfach immer aufs Neue nur erschüttert darüber, welch großartige künstlerischen Emanationen im Theresienstadt-Ghetto entstanden sind: Eindrucksvolle Lieder, die Kinderoper „Brundibár“ und eben dieses intensive Streichquartett, das sich keineswegs nur im Weltschmerz und in Depression verliert, was ja nur allzu natürlich gewesen wäre.

Nein, Ullmann legte hier ein wahres Glaubenszeugnis für die Lebenskraft spendende Energie der Musik ab, fesselt durch eine kühne Exposition, berührt durch ein dämonisch-anämisches Scherzo und nimmt mit einem optimistischen Rondo-Finale ein. Eine wunderbare Viertelstunde, nach der man nicht begreifen kann, weshalb ihr Schöpfer wenige Monate später in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau landen musste.

Hier gibt es noch viel Wiedergutmachung zu leisten. Und wenn man die Anmerkungen Franz Scheders im Programmheft richtig verstehen sollte, dann sieht der Privatmusikverein hier auch eine programmatische Aufgabe und Verpflichtung für die Zukunft. Gut so!
JENS VOSKAMP

Keine Kommentare