Sakrale Klangwolken

27.10.2015, 19:09 Uhr

Sympathisch ungestylt wirkt der Auftritt des Genfer Professors - und wie eine zu vergleichsweise kleinem Obulus erhältliche, musikalisch verkleidete Abendandacht. Man staunt gemeinsam und schweigt vor einer gerade noch miteinander verbindlich geteilten und doch bereits historisch gewordenen Ideenwelt, die der seit seinem Wettbewerbserfolg 2002 in Salt Lake City renommierte Solist und Kammermusiker mit entschlossener Sinnfälligkeit abrollen lässt.

Dabei sind es nur vordergründig die „Risse“ im Sonatengefüge, die seinen entschiedenen, gerne bis in Grenzbereiche zur Theatralik zuspitzenden Zugriff auf „das Allerheiligste“ aus dem Beethovenschrein prägen. Denn zwar spukt es hier bereits gewaltig im Inneren der Sonate Nr. 30 in E-Dur aus dem Jahr 1820, mit deren Widmung die verehrte „Maxi“ Brentano aus der berühmten Dichterfamilie bedacht worden war.

Wie von Furien gehetzt rast das dramatisch zusammengeballte Forte-Thema eingangs dahin. Fahl wie aus dem Jenseits brechen die Fugenmotive ein in die nur scheinbar der Welt entrückte, traumselige Idylle. Zu Liszt ist es da gar nicht mehr weit, wenn Pescia mittels Pedalverstärkung ehrfurchtgebietende Akkordblöcke und orgelartige, sakrale Klangwolken türmt. Und doch bleiben es vor allem fließende, unscharfe und betont diskrete Übergänge, die neben solchen dynamischen Verschärfungen den eigentlichen Zeremonienmeister ausmachen. Der phrasiert niemals glatt, lässt „krause“ Wendungen geduldig weiterwachsen, bis die prompt einsetzende Irritation ganz allmählich übergeordneten Sinngehalt offenbaren mag.

Auf der Himmelsleiter

Hinauf auf die Himmelsleiter geht es dann im Finalsatz der As- Dur-Sonate, die nach der Genesung des bereits vollständig tauben Komponisten von schwerer Krankheit und parallel zur Missa solemnis entstand. Da wird auch das große Fugenfinale zelebriert als Gotteserfahrung, die der auf mächtige Reizzustände gepolte Klangfarbenmagier am Steinway erstrahlen lässt wie die Sonne.

In sich gekehrt und der Welt schon komplett entrückt wirkt im Anschluss das Opus 111: Nach dem zugeknöpften Maestoso das Lebewohl winkende, sakral umwehte Adagio. Eigenwillig mögen sie also nicht sein, die auch als Aufnahme aus dem Jahr 2009 erhältlichen drei späten Beethoven-Sonaten aus der Hand des von „französischer“ Klangsinnlichkeit und nuancenreicher Farbigkeit geprägten Schweizer Pianisten Cédric Pescia. Überwältigend allerdings durchaus: Dankbarer Applaus für spannende Interpretationskunst, der so andächtig gelauscht wurde wie es selten zu erleben ist.

Keine Kommentare