"Schamhaar" statt "Pyjama": Songtexte, die es nie gab

30.3.2017, 07:39 Uhr
Jeder kennt sie, diese Ohrwürmer, die man schon immer mitgesungen hat, auch wenn man den Text wohl falsch verstanden hat.

© Sophia Kembowski (dpa) Jeder kennt sie, diese Ohrwürmer, die man schon immer mitgesungen hat, auch wenn man den Text wohl falsch verstanden hat.

Der Journalist und Autor Axel Hacke hat bereits das ein oder andere Buch darüber geschrieben und Radiosender liefern beständig Nachschub an unerhört erhörten Liedtexten. Einen der bekanntesten, weil häufig mistverstanden, haben wir Herbert Grönemeyer zu verdanken. Weil diesem bisweilen eine etwas ungewöhnliche Betonung zu eigen ist, haben sich unzählige Menschen vorstellen müssen, wie ein Ehemann des abends zu seiner Frau ins Schlafgemach kommt und dort im Bett eine überaus unappetitliche Entdeckung macht. 

Nachweislich aber hat der Mann aus Bochum in dem Lied "Was soll das?" niemals gesungen "Sein Schamhaar liegt in meinem Bett", sondern stets: "Sein Pyjama liegt in meinem Bett". Aber was soll’s: So richtig erfreulich ist beides nicht.

Eine vergleichbar merkwürdige Situation hat die französische Popsängerin Mylène Farmer in "Sans Contrefaçon" besungen. "Isch bin frisch rasiert - alle Duschen sind blockiert", flötete in den 80er Jahren die attraktive Rothaarige im Nadelstreifenjäckchen, während sie in freier Wildbahn herumhopste. Zumindest hat dies Kollegin Anette Röckl so verstanden. Tatsächlich heißt es in dem Lied "Puisqu'il faut choisir/A mots doux je peux le dire" - und es geht darum, dass ein Mädchen für einen Jungen gehalten wird. Aber nix mit Rasur, nix mit Dusche.

Bei Röckl machte selbst der große Sting keine besonders gute Figur. Während er in "Every breath you take" seinen Herzschmerz mit den Worten "How my poor heart aches" in hohen Tönen besang, hatte die Kollegin an dieser Stelle stets die Aussage "How I pull my eggs" erhört. Eine Übersetzung sparen wir uns an dieser Stelle und überlassen es dem Leser, wie weit er sich hier von seiner Vorstellungskraft tragen lassen möchte.

"Helga, der Mond - und die Nacht voll Schatten"

Der Neffe des Kollegen Rurik Schnackig hat als Kind die Mystik aus Juliane Werdings "Nacht voll Schatten" entzaubert, in dem er eine unerwartete Person auftauchen ließ. Die Zeile "Hell war der Mond und die Nacht voll Schatten" sang er er selbst voller Überzeugung folgendermaßen: "Helga, der Mond - und die Nacht voll Schatten". Helga wer? Helga wie?

Bei Schnackigs wurde schon immer gern gekocht und gern gegessen. Das sollte man vorausschicken um zu verstehen, warum das kindliche Gehör des in diesem Kreis heranwachsenden Kollegen einst Milvas Wehklagen folgendermaßen wahr genommen hatte: "Du isst immer nur mein Sonntagsgericht! Du isst nie mein altes Kraut!"  Aber mal ehrlich, Milva: Wer würde denn auch zum ollen Gemüse greifen, wenn das knusprige Schäufele liegt so nahe? Erst als Schnackig im Erwachsenenalter die Textzeile las: "Du siehst immer nur mein Sonntagsgesicht - du siehst nie mein Alltagsgrau!", dämmerte ihm manches...

"Don’t want to miss a fan" von Aerosmith

Ebenfalls im Kindesalter wurde Schnackig dabei erwischt, wie er schmetterte: "Wie a kalter Vati, hau’ ’n Kater in die Spül’" Das, was Peter Cornelius da so heiter-lustig sang, war natürlich Tierquälerei der übelsten Sorte. Das muss schon ein eiskalter Herr Papa sein, der das arme Kätzchen einfach in den Ausguss stößt. Was weiß auch ein Sechsjähriger aus der Nürnberger Nordstadt vom Wiener "Calafati auf'm Prater Ringelspü’", um den es hier eigentlich geht. 

Im Jugendalter war Kollegin Isabel Lauer überrascht, als "Don’t want to miss a fan" von Aerosmith in den Radiostationen rauf und runter lief: Muss die Band neuerdings um jeden einzelnen ihrer Fans bangen oder seufzte der Sänger gar: "Ich möchte keinen Ventilator missen"? Im Sommer wäre das durchaus plausibel. Vergleichsweise wenig erfrischend war die Originalzeile mit "I don’t want to miss a thing".

Manchmal ist alles deutsch und dennoch vermutet das gut gelaunte Gehirn dahinter eine andere Sprache. Bei Reinhard Mey und später bei Dieter Thomas Kuhn hörte Timo Schickler einen interessanten italienisch klingenden Anfang: "Vi na doca ba 03". Was das wohl heißen mag? "Wind Nordost, Startbahn 03", so wie es im Ursprung aus der Feder des Liedermachers floss, eliminierte für Schickler die südliche Komponente wieder.

Kollegin Lauer entnahm der Computerstimme bei "Das Boot" die Aufforderung "Dance forward". Dabei sagte die nichts weiter als... genau: "Das Boot".

Vorwärts tanzen ist ja auch ein merkwürdiger Befehl, zumal der einzige, der elegant rückwärts tanzen konnte, der große Michael Jackson war. Dieser aber war bei Frau Röckl spätestens seit dem Lied "Bad" untendurch. "Du blöde Sau!" singt man einfach nicht. "The Word Is Out", hatte der King of Pop eigentlich artikuliert. Aber gehört ist nun mal gehört. Da waren diejenigen keinen Deut besser, die hier den Satz "The bird is out" vermuteten. Da haut’s dir doch den Vogel raus.

Und dann gibt es noch jenen Fall, bei dem der Musikkonsument alles richtig hört und dennoch jeglicher Zusammenhang im Dunkeln bleibt. Zum Beispiel hier: Eine Dame (Name der Redaktion bekannt), saß mit Freundinnen in einem Café, als "Walking on the milky way" vom legendären Orchestral Manoeuvres In The Dark im Hintergrund dudelte. Sie hielt hierauf eine große Ansprache über den Schwachsinn heutiger Liedtexte: "Auf einem Milky Way laufen? Warum denn nicht gleich auf einem Snickers schlafen? Oder auf einem Hanuta Urlaub machen?" In einer kurzen Meckerpause hob eine der anwesenden Frauen zaghaft die Hand: "Äh, Milky Way ist eigentlich das englische Wort für Milchstraße...", erklärte sie. Die Schimpferin war kurz stumm, hatte aber schnell ihre Fassung wieder: "Ja klar, aber trotzdem: So ein blöder Text..."

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