Schillernde Typen und schräge Geschichten

21.3.2016, 11:08 Uhr
Schillernde Typen und schräge Geschichten

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Zum zweiten Mal nach „Genagelt“ lässt der mehrfach ausgezeichnete Seidl, der unter anderem Juror des Literaturwettbewerbs der Nürnberger Kulturläden ist, den Privatdetektiv Freddie Deichsler ermitteln, und wieder schlittert dieser von einem Schlamassel ins nächste. Wobei es durchaus in seiner Natur liegt, selten ein Fettnäpfchen auszulassen. Glücklicherweise meistert er die zum Teil lebensgefährlichen, dann wieder grotesken Situationen mit Witz und Intuition.

Schließlich geht es für Deichsler darum, ein Netzwerk korrupter und krimineller Politiker auszuhebeln und nebenbei noch sich selbst und seinen Sohn vor dem Knast zu bewahren. Ach ja, einen Mord – wenn es denn einer war – muss er natürlich auch aufklären.

Denn der Bauer Luidinger wurde tot in seinem Stall gefunden und alles deutet darauf hin, dass sein eigener Stier ihm das Horn in die Milz gerammt hat. Wenn es aber – wie Deichsler glaubt – kein Unfall war, wer war dann der Mörder?

In Frage kommt zum Beispiel Bauer Grell, der auf den Luidinger-Hof scharf ist. Oder der selbst ernannte Tierschutz-Apostel und Rastafari Paul, der artgerechte Haltung mit durchaus radikalen Methoden einfordert. Paul ist zudem der erwachsene Sohn von Freddie Deichsler, nur kennen sich die beiden nicht, weil der Privatdetektiv Pauls Mutter verlassen hat und sich nie wieder blicken ließ. Und das macht die Sache nicht eben einfacher.

Doch damit nicht genug. Weitere potenzielle Störfaktoren für Deichslers Ermittlungen sind zur genüge vorhanden: Der Detektiv verliebt sich in die Witwe des toten Bauern, muss außerdem auf seinen kleinen (und zweiten) Sohn David aufpassen und gerät zu allem Überfluss selbst gerne einmal in Konflikt mit dem Gesetz, das wiederum von seinem Vater vertreten wird – der ist nämlich Polizist.

Seidl schickt seinen Ermittler in ein atemloses Roadmovie mit vielen Wendungen. Dabei schaut der Leser Detektiv Deichsler ständig in den Kopf und über die Schulter, was das Buch – kleiner Kritikpunkt – etwas eindimensional macht. Vergnüglich ist es trotzdem, wenn der Protagonist nach und nach die Fäden dieses gordischen Knotens von Korruption, Seilschaften, Umweltverbrechen, Tierquälerei, Profit- und Machtgier entwirrt. In einen Swinger-Club der „Großkopferten“ und sogar bis nach Tunesien führt Deichsler die Aufdeckung der dunklen Machenschaften.

„Viecher“ ist außerdem ein politisches Buch. Scharfsinnig analysiert Seidl, der im oberbayerischen Isental aufgewachsen ist, Entwicklungen, die einheimischen Landwirten zu schaffen machen: „Die Bauern brauchten immer mehr Kühe, um überleben zu können. Für diese benötigten sie aber auch größere Ställe, die mit Krediten finanziert wurden. Tier und Mensch wurden ausgezuzelt wie eine Weißwurst. . .“

Dieser intelligente Krimi vereint Bodenständigkeit und Stallgeruch mit einem kritischen, aber humorvollen Blick auf die Realität.

Leonhard F. Seidl: Viecher. Emons, 256 Seiten, 9,90 Euro.

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