Schöpferaua und Kunstscheiße

15.8.2018, 11:00 Uhr
Schöpferaua und Kunstscheiße

© Foto: Marcus Weier

"Und Gott schuf Himmel und Erde und alles, was dazu gehört und sah, dass es sehr gut war. Dann schuf er den Menschen. Und der Mensch tat das, was er nicht hätte tun sollen und wurde verstoßen aus dem Garten Eden. Seitdem sucht der Mensch das Paradies und wühlt die Erde um und im Bestreben, die Erde zu bebauen, zerstört er sie erst recht. Der Mensch baut himmelstrebende Häuser, die seine Kinder wieder einreißen, er malt wunderschöne Bilder, die vergilben, und dichtet Verse, die dem Vergessen anheim fallen. Darob befällt ihn eine große Traurigkeit. Dieselbe nennt man Schöpferaua."

So oder in ähnlich freier biblischer Nachdichtung könnte man Christian Vittinghoffs Ausstellung mit dem seltsamen Titel "Schöpferaua" charakterisieren. Vittinghoff, Jahrgang 1965, hat Kunst in Brüssel und Antwerpen studiert und arbeitet als Bühnenbildner, Maler und Performer. Seine Bilder sind kleinen Formats, sie strapazieren das Auge und verlangen vom Betrachter die Fähigkeit, um drei Ecken zu denken.

Tatsächlich handelt es sich zum größten Teil um Übermalungen. Ausgangspunkt ist meist eine Fotografie einer Landschaft oder einer Straßenszene, in Sepiatönen gehalten, uralt oder auf alt getrimmt. Diese Bilder übermalt Vittinghoff mit Tusche, Bleistift, mit Mustern oder Flecken, wobei er darauf achtet, welche Zonen dem Betrachter erkennbar bleiben und welche der Verunklärung zum Opfer fallen. So wirken diese Fotografien wie Fundstücke vom Dachboden oder aus dem Keller, von Zeit und Witterung benagt.

Eingebaute Irrwege

Doch damit nicht genug, überschreibt Vittinghoff seine Bilder mit ihrem Titel. Unübersehbar zieht sich der (ein Wort oder auch ein Satz) in weißen Druckbuchstaben über das Gemälde und wird selbst Teil davon. Nur liefern die Titel keinen Schlüssel zur Erklärung, sondern verschlüsseln den Eindruck nur noch mehr.

Darin eifert Vittinghoff dem belgischen Surrealisten René Magritte nach, der seine rätselhaften Bilder mit völlig irreführenden Titeln versah. Vittinghoffs Titel sind der pure Nonsens. Aber mit Bedacht gewählt. "Kunstscheiße" schreit geradezu danach, vom Betrachter oder Kritiker aufgegriffen und gegen den Künstler verwendet zu werden.

So kann man Vittinghoffs Kunst denunzieren. Oder aber: Der Künstler hat mit diesem Titel eine Falle aufgestellt, um sich als missverstandenes Genie zu inszenieren. Was folgt daraus? "Und Gott sah, dass die Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Und keiner Erklärung bedarf."

Schöpferaua: Werke von Christian Vittinghoff, Babylon-Kino, Nürnberger Straße 3, noch bis 31. Oktober

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