Schrecken der Liebe

18.11.2016, 15:59 Uhr
Schrecken der Liebe

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Dass er schreiben kann, hat Helwig Arenz – ein Bruder von Ewald und Sigrun Arenz, die beide ebenfalls literarisch tätig sind - bereits mit seinem Romandebüt „Der böse Nik“ bewiesen. Sein neues Buch ist ein psychologisch genaues, fesselnd geschriebenes Coming-of-Age-Drama mit phantastischer Grundierung. Es geht um drei Brüder, die keine Kinder mehr und noch keine Erwachsenen sind, um Pubertät, Frauen, Sex, Alkohol, Schule und vor allem um das große Durcheinander der Gefühle.

Erzählt wird aus der kindlichen Perspektive von Georg, dem jüngsten der drei Brüder, ein äußerst sensibler Junge mit blühender Phantasie und großen Ängsten. Er bewundert Kai und Torsten, die schon Alkohol trinken dürfen und erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht haben. Georg ist meistens nur stiller Beobachter und ein Außenseiter, dem die Welt der Erwachsenen ein großes Rätsel bleibt. Er gehört nirgends so richtig dazu.

Die Eltern haben sich auseinander gelebt und tauchen nur am Rand auf, bestimmen aber das häusliche Klima. Der Vater ist unnahbar und meist in seine Bücher vertieft, die Mutter auf liebevolle Art autoritär. Georg spürt, dass irgendwas in der Beziehung seiner Eltern nicht stimmt. Und er sieht immer wieder Geister, die ihn besonders ängstigen, wenn es dunkel ist, nachts und im Keller.

Kai und Torsten nehmen ihren kleinen Bruder nicht für voll, fühlen sich aber doch irgendwie für ihn verantwortlich. Kai ist ein Großmaul und Draufgänger, aber auch ein Gefährdeter, der die Schule vernachlässigt, krumme Dinger dreht und nur Mädels im Kopf hat. Also das genaue Gegenteil des schüchternen Tagträumers Georg.

Eine Liebestragödie erschüttert den Freundeskreis: Das verhängnisvolle Verhältnis der miteinander verwandten Teenager Robbie und Merle endet auf Druck der Familie denkbar brutal. Er fährt mit dem Auto gegen einen Baum, sie landet in der Psychiatrie.

Georg begreift, dass Liebe auch dunkle Seiten hat und etwas Bedrohliches sein kann. Seine Beziehung zu Mädchen wird dadurch nicht einfacher, seine Sehnsucht nicht kleiner. Über Gefühle zu sprechen aber ist in seinem Alter ein Ding der Unmöglichkeit. Fast zu spät erkennt er, dass er in Judith eine Seelenverwandte gefunden hat. Aber dann erlebt er durch Zufall mit ihr doch noch seine erste Liebe.

Helwig Arenz zeichnet in kurzen, assoziativen Kapiteln und mit großem Feingefühl das zartbittere Porträt eines Heranwachsenden, dessen heile Kinderwelt Stück für Stück auseinanderbricht. Nichts an der Geschichte ist spektakulär, aber gerade deshalb wirkt sie so glaubwürdig und überzeugend. Die Atmosphäre erinnert an französisches Kino und an deutsche Märchen, aber Arenz hat einen ganz eigenen Ton gefunden. Ein überraschendes Buch, dem man viele (junge) Leser wünscht, ein literarisches Gesellenstück, das zu den schönsten Hoffnungen berechtigt.

Helwig Arenz: Nachts die Schatten. Roman. Ars vivendi, Cadolzburg. 246 S., 18 Euro.

Buchvorstellung am Samstag, 26. November, 19 Uhr, im Fürther Programmkino Babylon.

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