Schwarzwald-"Tatort": Stiller Krimi mit schwerem Kern

13.5.2018, 21:45 Uhr
Schwarzwald-

© SWR/Benoît Linder

Der Premieren-"Tatort" des neuen Schwarzwälder Krimi-Gespanns Friedemann Berg (Hans-Jürgen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau), den Das Erste im vergangenen Oktober ausstrahlte, hinterließ sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern einen positiven Eindruck. "Goldbach" befasste sich mit dem Tod eines Kindes und ging der Frage nach, welche Auswirkungen solch ein Ereignis auf dessen Vater und Mutter hat.

Wegen der Schwere dieser Thematik konzentrierte sich Regisseur Robert Thalheim in seinem ersten "Tatort" vor allem darauf, der Fassungslosigkeit der Eltern gebührend Ausdruck zu verleihen, und zu beobachten, wie sich deren Idyll durch den Tod der elfjährigen Frieda und dem spurlosen Verschwinden eines Nachbarjungen in einen Ort des Schreckens verwandelte.

Die Charaktere der Fahnder führte Thalheim im Gegensatz dazu nur teilweise ein. Alles, was der Zuschauer in diesem authentischen und melancholischen Krimi über Tobler und Berg erfuhr, war, dass es sich um ein eingespieltes Duo handelt, das trotz oft sehr unterschiedlicher Ansichten und Arbeitsweisen stets solidarisch miteinander umgeht.

So ganz nebenbei bewies "Goldbach", dass die Ankündigung des Senders, der Umgebung in den Schwarzwald-Fällen eine dominante Rolle zukommen zu lassen, keine hohle Phrase war. Deutschlands größtes Mittelgebirge mit seinen dichten Wäldern, düsteren Schluchten und abgelegenen Höfen nahm in der berührenden Geschichte einen in der Tat bedeutsamen Platz ein.

Während die Dreharbeiten für den dritten Fall mit dem Titel "Damian", in dem es um einen Doppelmord, eine Brandleiche und zwei übermüdete Kommissare geht, kurz vor dem Abschluss stehen, sendet Das Erste mit "Sonnenwende" nun den mit einer gewissen Spannung erwarteten "Goldbach"-Nachfolger.

"Hardcore-Ökos" und Handyverbot

Tobler und Berg, von denen man diesmal mehr Privates mitbekommt, ermitteln darin erneut vorzugsweise im Freien. In "Sonnenwende", einem mit kraftvollen Bildern ausstaffierten Film, der die Natur phasenweise sehr romantisiert darstellt, beginnt das Drama, als Sonnhild Böttger (Gro Swantje Kohlhof), älteste Tochter eines Bauern, der sich ein auf Nachhaltigkeit ausgelegtes Paradies zwischen Wald und Wiese aufgebaut hat, in dem Handys Tabu sind, viel Wert auf Prinzipien gelegt wird und ausschließlich heimische Arten kultiviert werden, plötzlich stirbt.

Indizien deuten auf eine Fehlbehandlung bei der Toten hin. Offenbar wurde Sonnhild trotz der Diagnose Diabetes nicht mit Insulin versorgt. Somit landet der Fall auf dem Schreibtisch der Kommissare. Die Ermittler werden auf dem Sonnenhof von Volkmar Böttger vorstellig. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei dem "Hardcore-Öko" um einen alten Freund Bergs aus gemeinsamen Schulzeiten.

Während Berg der Sippe Trost spendet und dabei wie geblendet wirkt, kommen Tobler die Leute auf dem Hof von Anfang an sonderbar vor. Ein kleiner Beweis, der zeigt wie unterschiedlich die Polizisten in ihrer Wahrnehmung sind. Recherchen fördern zutage, dass der Verlobte des Mädchens der Heimatschutzstaffel angehörte und dass ein Kronzeuge, der vor einem V-Mann-Untersuchungsausschuss in Stuttgart gegen die rechtsextreme Vereinigung aussagen sollte, ebenso plötzlich an Diabetes verstarb.

Stiller Film mit schwerem Kern

Dadurch bekommt der Fall eine dramatische Wendung und eine hochaktuelle politische Note, die sich jedoch nicht im Tempo des Films niederschlägt. "Sonnenwende" setzt auf eine gemächliche Erzählgeschwindigkeit. Plumpe Aktion findet nicht statt. Der Krimi wirkt hauptsächlich mittels Dialoge und Präsenz der Darsteller.

So wird sowohl dem zuerst naiven Berg als auch dem Zuschauer äußerst mulmig zumute, wenn er mit anhören muss, was der von Nikki von Tempelhoff hinreißend dargestellte Böttger am Grabe Sonnhilds von sich gibt. Da ist von der Schutzmacht des deutschen Blutes die Rede, von Reinheit der Rasse und allerhand anderem völkischen Gedöns. Nun ist auch dem Kommissar klar, mit wem er es hier zu tun hat.

Fast schon unaufdringlich betten Regisseur Dag und sein Autor Patrick Brunken Themen wie das Milieu völkischer Siedler sowie die ebenso eng an die Realität geknüpfte V-Mann-Affäre in ihren "Tatort" ein. Da sie es schaffen, all das auf Sparflamme zu kochen, erscheint "Sonnenwende" in keinem Moment überladen oder zu verkopft. Er bleibt von Anfang bis Ende ein eher stiller Film, der einen schweren Kern in sich trägt.

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