Sehnsucht nach großen Gefühlen

19.2.2011, 00:00 Uhr
Sehnsucht nach großen Gefühlen

© Matejka

Natasa Dragnic kann ihr Glück gar nicht fassen. Ein Leben lang hat die 46-Jährige davon geträumt, Schriftstellerin zu werden – und jetzt geht auf einmal alles ganz schnell und wie von selbst. Das ist ihr selbst schon fast unheimlich. Noch bevor die renommierte Deutsche Verlagsanstalt (DVA) das Manuskript veröffentlicht hat, sind die Übersetzungsrechte in über 20 Länder verkauft worden. So ein Phänomen hat man selbst bei der DVA, die zur internationalen Random House-Gruppe gehört, noch nicht erlebt. Kein Marketing-Experte hätte das besser planen können.

„Jeden Tag, jede Stunde“ erzählt auf sehr poetische Art die Geschichte einer großen Liebe. Sie spielt in Kroatien und in Frankreich, könnte sich aber überall zutragen. Luka und Dora scheinen füreinander bestimmt und sind schon als Kinder unzertrennlich. Doch das Schicksal (Krankheiten, Trennungen, Balkankrieg inklusive) will es anders: Obwohl sich die beiden leidenschaftlich lieben, werden sie kein glückliches Paar.

Was soll daran so besonders sein? „Wenn man die Geschichte zusammenfasst, klingt das so kitschig wie eine mexikanische Seifenoper“, sagt Natasa Dragnic lachend. „Ich denke, entscheidend ist die Art und Weise, wie ich diese Liebesgeschichte erzählt habe.“ Die literarische Form ist für die studierte Literaturwissenschaftlerin (Romanistik, Germanistik) sehr wichtig. „Bevor ich anfange zu schreiben, habe ich schon die grobe Handlung und die Struktur im Kopf. Nur das Ende der Geschichte weiß ich selbst noch nicht. Aber ich schreibe sehr schnell, auch weil ich selbst so neugierig darauf bin, wie die Geschichte ausgeht.“ An ihrem ersten, raffiniert konstruierten Roman hat Natasa Dragnic rund vier Monate gearbeitet. Die Idee hat sich aus einer Kurzgeschichte entwickelt.

Schon als Kind war Natasa Dragnic, die 1965 in Split in Kroatien geboren wurde, vom Schreiben fasziniert. „Ich habe schon mit sechs Jahren kleine Gedichte geschrieben und Erlebnisse verarbeitet.“ Nach dem Studium in Zagreb nahm sie eine Diplomatenausbildung auf, die sie auch nach Deutschland führte. „Aber ich habe bald gemerkt, dass Diplomatie nicht meine Sache ist. Ich kann keine Politik vertreten, hinter der ich nicht stehe, und ich möchte auch meine Meinung nicht verstecken.“

Arbeit als Sprachdozentin

In Deutschland lernte Natasa Dragnic ihren Mann kennen, mit dem sie einen Sohn hat. Seit 16 Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Erlangen, wo sie als Sprachdozentin arbeitet. Das Schreiben hat sie nie aufgegeben, doch all die Jahre landete das meiste in der Schublade. Die leidenschaftliche Krimi-Leserin, die Dostojewski und Thomas Mann verehrt, schreibt in deutscher Sprache, die sie sehr mag. „Ich denke und träume auf Deutsch. Nur beim Rechnen benutze ich noch Kroatisch.“ Mit Migrationsliteratur hat sie nichts am Hut.

Hin und wieder nahm sie an einem Literaturwettbewerb teil, gewonnen hat sie nie etwas. Geholfen hat ihr der Kontakt zur Erlanger Autorengruppe „Wortwerk“ und vor allem ein Workshop im Münchner Literaturhaus, aus dem sich ein loser Kontakt zu Lektoren und Autoren ergeben hat. Dadurch lernte die Anfängerin auch einiges über die Gesetze des Buchmarktes.

Das erfolgreiche Romandebüt ist, wenn man so will, eine Folge der gerade überstandenen Wirtschaftskrise. Denn da die Firmen auch beim Fremdsprachenunterricht für ihre Mitarbeiter sparten, hatte die freiberufliche Sprachlehrerin auf einmal mehr Zeit als ihr lieb war. So entstand vor knapp drei Jahren der Roman „Jeden Tag, jede Stunde“.

Der erste Verlag, dem sie das Manuskript anbot, lehnte nach reiflicher Überlegung jedoch ab. Und zwar deshalb, weil es nicht genau zwischen Unterhaltung und anspruchsvoller Literatur einzuordnen war. „Aber genau das empfinde ich als meine große Stärke“, meint Natasa Dragnic. Danach suchte sie sich einen Literaturagenten – ein Glücksgriff, wie sie heute weiß. Denn innerhalb von zwei Monaten hatte er ihr dann auch einen Verlag vermittelt, der von ihrer romantischen Liebesgeschichte begeistert war.

„Ich schreibe eigentlich immer nur über die Liebe in ihren verschiedenen Formen. Denn ich glaube, dass wir alle diese Sehnsucht nach den ganz großen Gefühlen in uns haben.“ Die Geschichte hat ein Happy End – auch im richtigen Leben: Der überraschende Erfolg gibt Natasa Dragnic recht.

Natasa Dragnic stellt ihren Roman „Jeden Tag, jede Stunde“ (DVA, 288 Seiten, 19,99 Euro) am 24. Februar, 19.30 Uhr, in der Stadtbibliothek Erlangen (Marktplatz 1) vor.