SM in der Polizeischule: So gut ist der Wiener "Tatort"

23.4.2017, 21:45 Uhr
SM in der Polizeischule: So gut ist der Wiener

© ARD Degeto/ORF/Hubert Mican

Ein aufwühlender Fall aus Dortmund hielt die "Tatort"-Gemeinde vergangenen Ostermontag in Atem. Knapp neun Millionen Menschen sahen den ungewohnt sanft miteinander umgehenden Kommissaren dabei zu, wie sie versuchten, einen Mann mit Sprengstoffgürtel um den Bauch zum Aufgeben zu bringen. Damit konnte Das Erste einen Marktanteil von knapp 25 Prozent erzielen. Fast jeder vierte Zuschauer hatte sich also für den "Tatort" entschieden.

Grantige Cops

Entschieden hat sich auch Moritz Fellner (Harald Krassnitzer). Und zwar gegen das Alleinsein. Daher sucht er sich eine Frau und scheint sie in Samy Graf (Ruth Bauer-Kvam) gefunden zu haben. Eben jene öffnet nun einer sichtlich überrascht dreinblickenden Bibi Fellner (Adele Neuhauser) die Tür, als die gerade ihren Kollegen aufsammeln will, um mit ihm zum Tatort zu fahren, an dem der eben ermordete Polizeischulleiter Peter Kralicek seit Stunden in einer Blutlache liegt.

Weil der frisch Verliebte es nicht für nötig hielt, seine sexuell frustrierte Mitarbeiterin über seinen neuen Beziehungsstatus zu informieren, herrscht gewaltiger Knatsch zwischen den Ermittlern. Eisners Liebschaft und Fellners Einsamkeit bilden den Nährboden vieler böser Frotzeleien, die sich wie ein roter Faden durch den Krimi ziehen. Die Laune ist also im Keller, als Herr Oberstleutnant und Frau Majorin den Ort des Geschehens erreichen. Da passt es ins Bild, dass bei den Kraliceks zunächst alles auf ein tragisches Familiendrama hindeutet. Als dann auch noch Assi Fredo (Thomas Stipsits) von seiner Frau von Zuhause rausgeschmissen wird und sein Nachtlager auf Bibis unbequemer Single-Couch aufschlagen muss, scheint klar, mit welchen Themen sich der 40. Fall von "Tatort"-Kommissar Eisner auseinandersetzt.

Erst Kriminalkomödie, dann echter Thriller

Doch die diesmal stärker denn je eingebundenen privaten Handlungsstränge bilden wie so oft nur den Rahmen für den eigentlichen Kriminalfall, in dem es um die krankhaften Machenschaften bei der hiesigen Polizeischule geht. Spätestens dann, wenn Fellner als verdeckte Ermittlerin getarnt in den Betonbau einzieht und somit Bekanntschaft mit Schülern und Lehrern der Einrichtung macht, verändert sich der Grundton des Films. Was als eine mit viel Wiener Schmäh versehene, böse Kriminalkomödie beginnt, mutiert mehr und mehr zum ernstzunehmenden Thriller, in dem frauenfeindliche Fieslinge wie Thomas Nowak (Simon Hatzl) das Sagen haben.

Äußerst dienliche, heimlich gedrehte Videos sowie zusätzlich auf Datensticks gespeicherte, pikante Informationen fördern zutage, was Nowak und der ermordete Schulleiter nach Feierabend mit ihren Polizeischülern treiben. Sie lassen sie zu SM-Spielen antreten, erniedrigen die jungen Leute, wo es nur geht und erzeugen so ein Klima der Angst.

Einen Schritt zurück in Richtung klamaukhafte Kriminalkomödie begeht der Film von Christopher Schier durch die Einführung des depperten Bonny und der süßen Clyde. Die dämlichen Kleinkriminellen, für die selbst Inkasso-Heinzi nur ein Kopfschütteln übrig hat, geraten an die Aufnahmen und versuchen die Täter damit zu erpressen, was natürlich in die Hose geht, aber letztendlich erheblich zur Aufklärung des Mordfalls beiträgt.

Gelungener Jubiläumsfall

Nun ist Eisners Jubiläumsfall, den sich der erfahrene Autor Uli Brée aus den Fingern gesaugt hat, sicherlich nicht der beste, den Wien bislang hervorgebracht hat. Irgendwann verfranzt sich der Film nämlich in zu vielen verschiedenen Handlungssträngen. Er öffnet zu viele Fässer und sorgt dadurch für die ein oder andere Unübersichtlichkeit.

Allerdings besticht "Wehrlos" durch eine Unmenge toller Dialoge und einem grandios miteinander zankenden Ermittler-Pärchen. Toll sind auch die Rückblenden, in denen Inkasso-Heinzi seine Begegnung mit Bonny und Clyde schildert. Außerdem lässt einem der Sadismus, wie ihn Gruppeninspektor Thomas Nowak an den Tag legt, das Blut förmlich in den Adern gefrieren. Das alles rückt die nicht unwesentlichen inhaltlichen Schwächen von "Wehrlos" gekonnt in den Hintergrund.

Für die Rückkehr zur Betriebstemperatur sorgt dann die mehr als überfällige Versöhnung zwischen Bibi und Moritz am Ende der Ermittlungen. Weil Eisner ihr gestanden hat, dass die Affäre mit Samy nicht von Dauer sein wird. Na da schau her.

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