Spätes Debüt für Shelley

11.4.2016, 19:41 Uhr
Spätes Debüt für Shelley

© Foto: Torsten Hönig

Ohne Bruckner wird auch ein englischer Dirigent, der nächstens von Deutschland nach Kanada geht, nicht auskommen. Besonders nicht ohne die „Dritte“: Sie ist nach der „Romantischen“ die beliebteste der neun Symphonien, die mit der Wagner-Widmung und den drei Fassungen. Von denen hat eben auch Valery Gergiev in München die letzte (1888/89) dirigiert — mit neun Kontrabässen. Shelley begnügte sich mit vieren, aber auf eine Brucknersche Klangüberwältigung kam es ihm offenbar sowieso nicht an.

Stattdessen klang bei den Nürnberger Symphonikern alles konzise geformt, präzise formuliert, klar gegliedert – und kühl bis ins Herz. Da war nichts zu hören von der imperialen Gründerzeit-Gigantomanie, die das Programmheft doch so treffend mit dem gleichzeitigen Bau des Pariser Eiffelturms zitiert. Stattdessen spielen die Symphoniker dynamisch temperierte Abläufe, betonen das Melodische, Kammermusikalische.

Abgeglättete Interpretation

Shelley ebnet ohne viel Aufwand Bruckners Schroffheiten ein, es gibt kaum aufregende Fieberkurven: mehr moderierend als anfeuernd. Auch wenn ihm die Symphoniker beeindruckende Steigerungen anbieten, etwa in der Schlusscoda des ersten Satzes. Auch im weiteren bleibt’s bei ablauforientiertem Schwelgen. Der Bruckner-Deuter Max Kahlbeck meinte seinerzeit: „Bruckner ist bei weitem der gefährlichste unter den musikalischen Neuerern des Tages!“ In der Shelley-Wiedergabe hatte er alle Schrecken verloren – schade.

Vor der „Wagner-Symphonie“ war Wagner Ehrensache: „Siegfrieds Trauermarsch“ beeindruckte mit geschickt disponierten Klangwogen und auf Feinheit geeichtem Blech. Und nur locker-zärtliche Entspannung waren zwischen diesen beiden Brocken Peter Tschaikowskys „Rokokovariationen“ auch nicht: hübsch spätromantisch umschmeichelt, aber genauso mit Ecken und Kanten. So jedenfalls spielte sie einer der Senkrechtstarter unter den jungen Cellisten: erst am Pult des BR-Symphonieorchesters, kürzlich geadelt durch eine Amerika-Tournee mit Anne-Sophie Mutter, jetzt mit weiter dichtem Konzertplan und nächsten Sonntag bei den Regensburger Rathauskonzerten – Maximilian Hornungs Karriereleiter hat damit noch Luft nach oben.

Beredt spielte er in Nürnberg das Thema aus dem „zweiten Rokoko“, er artikulierte bewegend edle Gefühle, für die man sich auch in den vorherrschenden hohen Lagen noch etwas mehr Ton gewünscht hätte. Heinrich Schiff oder Mischa Maisky haben das vorgemacht. Aber das ist heute vielleicht unmodern geworden gegenüber der schlanken, gelenkigen Interpretation von Hornung. Zusammen mit den Holzbläsern, der Flöte, den Streichern und viel kantabler Grazie war man trotzdem nahe bei Tschaikowsky.

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