Stuhlturm-Künstler Olaf Metzel ist zurück

13.11.2015, 19:02 Uhr
Stuhlturm-Künstler Olaf Metzel ist zurück

© Foto: Roland Fengler

Der Mann ist wie seine Kunst: direkt, energiegeladen, zupackend, am Puls der Zeit, voller Widerspruchsgeist und polarisierend. Wenn Metzel ausstellt, rummst es. Manchmal ganz wortwörtlich: Ein ohrenbetäubendes Crash-Geräusch dröhnt regelmäßig durch den Ausstellungssaal im Neuen Museum. Der Sound zur aktuellen VW-Krise, die Deutschland als Autobauer-Nation an die Wand fährt?

Als Metzel die Akustik-Installation, die er bei einem realen Auto-Crashtest aufgenommen hat, 1997 erstmals in Münster in einem Parkhaus montierte, lief bei VW noch alles rund. Heute kracht’s im Konzern und die Lärm-Installation bekommt damit höchste Aktualität. Das war so für Metzel nicht planbar, zeigt aber die Qualität seiner Arbeiten: Spröde, radikale (Hör-)Bilder, die mit Versatzstücken der Wirklichkeit arbeiten, oft Gewalt und Zerstörung thematisieren, dabei aber stets einen weiten Interpretationsspielraum lassen.

So wie die neue, über sieben Meter breite Arbeit „dermaßen regiert zu werden“, deren Titel sich auf ein Zitat des französischen Philosophen Michel Foucault bezieht. Zu sehen sind auf dem teilweise eingerissenen Wellblechzaun mächtige Alu-Pressebilder von Plattenbausiedlungen und Konsumwerbungen, zerschnittenen Geldscheinen und Straßenschlachten, die wie mit leichter Hand zerknüllte Zeitungen von Riesen wirken. Und die „dermaßen Regierten“ sind handlungsunfähige Zwerge, die Medien machtlos gegen die Politik, die Zäune ein Symbol für die Flüchtlingskrise und Abschottungstendenzen in Europa? Alles wohl zulässige Interpretationen zu diesem bildmächtigen Tableau im Sperrbezirk der politischen Kunst: „Jeder soll sich seine eigene Gedanken machen zu meinen Arbeiten“, sagt Metzel. Und sein Münchner Galerist Bernd Klüser sagt über ihn: „Es gibt wenige andere Künstler, die es radikal wie er wagen, politisch Stellung zu beziehen und sich den Marktmechanismen derart entziehen.“

Zerstörungswut in Stadien

Klein, klein ist Olaf Metzels Ding nicht. Als Bildhauer geht er mit schwerem Material wie Aluminium, Beton und Stahl in die Vollen, zeigt klare (Aufriss-)Kante und befasst sich mit den großen Themen wie staatlicher Gewalt, gesellschaftlichen (Fehl-) Entwicklungen, Migration und Freizeitkultur. Dafür entwickelt er dreidimensionale Bilder, man könnte auch sagen wuchtige Mahnmale. Die muss man nicht mögen, die kann man wie die Installation „Milieufragen“, die aus 24 nachgebildeten Pissoirs wie aus Bahnhofstoiletten besteht, sogar abstoßend finden, aber sie können Anstöße sein für Diskussionen über unsere Alltagsästhetik. „Unsere Städte werden zugemüllt und zugesprayt. Mich interessiert der Umgang mit dem öffentlichen Raum“, sagt Metzel.

Die „Willkommensarbeit“ in der Ausstellung heißt „Auf Wiedersehen“ und zeigt eine eingestürzte Tribüne, die aussieht, als hätten Fußballfans hier ihren Frust in blinder Zerstörungswut entladen. Und wenn es jetzt bei dem ein oder anderen klingelt: Ja, so hieß eigentlich auch die Sitzschalen-Helix, die 2006 rund um den Schönen Brunnen in Nürnberg stand — und weitaus besser bekannt ist als „Stuhlturm“. Zu dem war die nun ausgestellte Tribüne eine Vorläuferarbeit.

Zentrales Werk im offenen Parcours mit Werken aus 30 Jahren ist die „Deutsche Kiste“, die der Ausstellung ihren Titel gibt. Verschachtelte Betonelemente sind das, die ramponiert daliegen und nicht wirklich aufeinander passen. Ein zerstörter Bunker, ein zerschossener Panzer oder zerrissene McDonalds-Verpackungen im XXL-Format? Nürnberg und Metzel, das ist — um im Bild zu bleiben“ — eine nicht ganz einfache, emotionsbeladene „Beziehungskiste“. Den Auftritt im Neuen Museum sieht der 63-Jährige weder als Belehrung früherer Kritiker noch als Wiedergutmachung und schon gar nicht als Rachefeldzug. „Ich freue mich, hier zu sein“, sagt er und hofft, das Publikum sieht’s genauso.

Neues Museum Nürnberg, Klarissenplatz: „Olaf Metzel. Deutsche Kiste“, bis 14. Februar, Di.–So. 10–18, Do. bis 20 Uhr, Katalog 22 Euro.

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