"Sully": Der Held vom Hudson River kommt ins Kino

1.12.2016, 08:00 Uhr

© Warner

Ein Passagierflugzeug steuert viel zu tief auf New York zu, trudelt durch die Hochhausschluchten, bis es frontal in ein Gebäude kracht und explodiert. Die Szene weckt zwangsläufig Erinnerungen an die schrecklichen Bilder des 11. September 2001. Doch es ist der Alptraum von Chesley "Sully" Sullenberger, mit dem der Film hocheffizient beginnt. Die Horrorvisionen, die ihn seit der Beinahe-Katastrophe verfolgen, scheinen hier für einen Augenblick Realität.

Nur wenige Sekungen bleiben Sully am 15. Januar 2009, um zu entscheiden, was zu tun ist. Kurz nach dem Start gerät der Airbus 320 in einen Vogelschwarm, beide Triebwerke fallen aus. Für die Rückkehr zum Airport La Guardia oder zu einem nahegelegenen Flughafen in New Jersey sind Höhe und Geschwindigkeit zu gering. Sully, der auf 42 Jahre Berufserfahrung blicken kann und alles andere als ein Draufgänger ist, entscheidet sich für die Wasserlandung auf dem Hudson. Es geht gut aus. Trotzdem müssen sich Sully und sein Co-Pilot vor dem National Transportation Security Board (NTSB) für ihr Handeln verantworten.

Auf diese Anhörungen und auf den gigantischen Medienrummel, den der "Held vom Hudson River" in den folgenden Tagen und Wochen erlebt, konzentriert sich Clint Eastwood in seinem Film. Im Zentrum steht dabei immer Sully, der um seine Reputation kämpft, den stets derselbe Alptraum einholt und der durch die Straßen joggt, wenn er es gar nicht mehr aushält.

Tom Hanks - mit weißem Schnauzbart - verkörpert diesen Sully großartig als einen loyalen, integren Mann, der sich normalerweise nicht verunsichern lässt und ein tief verwurzeltes Verantwortungsbewusstsein in sich trägt. Er sei kein Held, sondern habe nur seinen Job gemacht, sagt Sully. Und nun treibt ihn doch die quälende Frage um, ob er versagt hat und ein unnötig hohes Risiko eingegangen ist.

Die Ermittler vom NTSB bezweifeln, dass tatsächlich beide Triebwerke durch den Vogelschlag ausfielen. Mit Hilfe eines Flugsimulators führen sie Sully und seinem Co-Piloten Syles (Aaron Eckhart) zudem vor, dass eine vorschriftsmäßige Notlandung auf einem der beiden Flughäfen möglich gewesen wäre.

An dieser Stelle lässt Eastwood seine eigene Skepsis gegenüber einer durchdigitalisierten Welt anklingen. In der Computer-Simulation, in der die Akteure genau wissen, was sie erwartet und nicht überlegen müssen, was zu tun ist, wird der menschliche Faktor ausgeblendet. Mit fatalen Konsequenzen, wie Sully in der finalen Anhörung nachweisen kann.

Eastwoods 35. Regie-Werk ist kein Katastrophenfilm, sondern ein intensives Dokudrama über einen Mann, der mit seiner fast altruistischen Haltung dem Regisseur sehr nahe sein dürfte. Geschickt wechselnd zwischen den verschiedenen Handlungplätzen, verbindet der 86-jährige Regisseur Sullys inneres Drama, den Kampf um seine professionelle Ehre mit der Nachinszenierung des Beinahe-Absturzes und der Rettungsaktion aus dem eiskalten Hudson zu großem Spannungskino. Spektakuläre Action braucht Eastwood dafür nicht. (USA/97 Min.)

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