"Tatort" aus Hannover: Sexskandal auf dem Fliegerhorst

22.11.2015, 21:46 Uhr

© NDR/Frederic Batier

Spätestens seit Klaus & Klaus weiß man, dass an der Nordseeküste die Fische im Wasser und selten an Land sind. Genau umgekehrt verhält es sich bei LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler). Weil Mörder und andere finstere Gesellen zumeist festen Boden unter den Füßen favorisieren, ist Lindholm ebenfalls auf diesem Terrain unterwegs. Also genauer gesagt in der norddeutschen Tiefebene. Ins tiefe Nass zieht es die Dame dafür weniger oft.

Der 23. Fall führt Lindholm nach Wunstorf. Sag ich doch, norddeutsche Tiefebene. Auf dem naheliegenden Militärstützpunkt fühlt sie einem Bundeswehrsoldaten mit cooler Pilotenbrille auf den Zahn und hält Händchen mit dem bierbäuchigen Bataillons-Boss. Was auf dem ersten Blick gar nicht mal so schlecht klingt, mutiert aufgrund einer gravierenden Niveau-Absenz leider recht schnell zum Rohrkrepierer. Lindholms neuer Fall mag eher Werbefilm für nicht vorhandene Bundeswehrromantik sein, der um Verständnis für gestresste Soldaten wirbt, denn packender Krimi. Das geht total in die Hose. Doch der Reihe nach.

Tschiller macht Pause, Lindholm übernehmen Sie!

Eigentlich hätte an diesem Sonntag ja der erste der beiden neuen Schweiger-Krimis über den Sender gehen sollen. Weil die ARD-Verantwortlichen jedoch der Meinung sind, dass die blutrünstigen Streifen nach den Anschlägen von Paris momentan nicht so gut ins Programm passen, haben sie die Ausstrahlung der "Tatort"-Doppelfolge kurzerhand auf Januar verschoben.

Nun ermittelt Charlotte Lindholm an Tschillers Stelle. Und sie bekommt es mit einem weichgespülten Fall zu tun, der keinem sauer aufstößt. Das Telefon klingelt. Wir hätten da 'ne Leiche. Lore Koerner (Nora Huetz), die hübsche Ex-Frau von Pilot Jan (Gerdy Zint), liegt mit zertrümmertem Schädel auf dem Speicher. Die Koerners waren neun Jahre ein Paar, haben sich aber getrennt, weil der Soldat ihr gerne mal eine gelangt hat. Seitdem schnüffelt der Verlassene frustriert an ihren zurückgelassenen Höschen.

Das junge, lebenslustige Ding vergnügt sich dagegen mit verschiedenen Männern aus Koerners beruflichem Umfeld. Sehr zu seinem Leidwesen. Weil der Prügel-Pilot, der stilecht im PS-starken Sportwagen vorfährt, kein Alibi vorweisen kann, steht er sogleich unter Mordverdacht. Wie auch Nachbar Goebel, der die Tote ebenfalls ausgezogen kennt. Vor lauter Schock irrt der erst mal quer durch den niedersächsischen Forst.

Kuscheln mit dem Kompaniechef

Als Lindholm beim Fliegerhorst vorstellig wird und ihren Notizblock zücken will, stößt das auf wenig Gegenliebe bei Kommodore Friedrichs (Richard van Weyden). Der toughe Stützpunktvorsteher kann solchen Ärger gar nicht gebrauchen, steht seine Armee doch ohnehin schon wegen nicht funktionierender Gewehre und manövrierunfähiger Fluggeräte in der Kritik. Da kommt ein Mordfall auf dem Fliegerhorst zur Unzeit. Deshalb wirbt der Kompaniechef um Verständnis, schaltet auf Charmemodus und spult einen Werbefilm der Bundeswehr ab. Die Piloten haben es schließlich nicht leicht. Klar. Und verständlich. Lindholm beisst an. Kein Wunder. Sie ist alleinerziehende Mutter und nahe am Wasser gebaut. Wenig später halten die Zwei Händchen und knutschen im Streifenwagen.

"Spielverderber" entpuppt sich als echter Spielverderber. Nach mehreren gelungenen "Tatort"-Krimis in den vergangenen Wochen - man denke nur an den Berliner "Tatort" - ist die Enttäuschung über diesen maladen Streifen groß. Dem Lindholm-Fall fehlt leider jegliches Feuer. Der Krimi des NDR taugt bestenfalls als Einschlafhilfe.

Der "Top Gun"-Verschnitt aus Hannover wirkt durch die pathetischen Dialoge der Overall tragenden Piloten sogar teilweise richtig lächerlich und besitzt trotz einiger netter Fliegerhorstaufnahmen allenfalls Vorabendkriminiveau.

Die besten Auftritte haben noch Koerners Hund, der aufs Wort gehorcht und Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Der mimt eine Leiche und liegt in einer Szene mit aufgeschnittenem Bauch neben der toten Lore Koerner auf dem Obduktionstisch.

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