"Tatort" aus Köln: Er sieht etwas, was sie nicht sehen

6.1.2019, 21:45 Uhr

© WDR/Martin Valentin Wenke

Obwohl der bislang letzte rheinische "Tatort" bereits vor über einem halben Jahr ausgestrahlt wurde, ist sein Inhalt noch in recht guter Erinnerung. Regisseurin Christine Hartmann bewies darin, dass es nicht immer die ganz großen Themen braucht, um daraus einen anständigen "Tatort" zu formen.

Hartmanns erster "Tatort" rückte den Scheinwerfer auf eine auf den ersten Blick ganz gewöhnliche Familie, die aufgrund gewisser Umstände einen Alptraum durchlebte. Um in dieser vertrackten Geschichte der Wahrheit vollständig auf den Grund gehen zu können, mussten Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) wie üblich unendlich viele Verhöre führen, dabei mehrmals mit den Augen rollen und die Brauen hochziehen.

Tragischer Unfall oder Mord?

Auch der neue Fall entpuppt sich als eine diffizile Angelegenheit und verlangt den gewieften Kumpel-Cops alles ab. "Weiter, immer weiter" startet mit einer nächtlichen Verkehrskontrolle, die aus dem Ruder läuft. Als der Beamte Frank Lorenz (Roenald Wiesnekker) Pascal Pohl bittet, auszusteigen, ergreift dieser die Flucht. Dabei übersieht der junge Mann die herannahende Tram. Pohl gerät unter den Triebwagen und stirbt an Ort und Stelle.

Ungeachtet dessen, dass fast alles auf einen tragischen Unfall hindeutet, werden Ballauf und Schenk herbeigerufen. Schließlich hat die Spurensicherung im Handschuhfach des Wagens des Toten synthetische Drogen gefunden. Außerdem schwört der Kollege von der Streife Stein und Bein, dass der junge Mann verfolgt und in den Tod gehetzt wurde.

Jener Kollege von der Streife, der sich als Schenks alter Kumpel aus vergangenen Zeiten entpuppt, will ein zweites Auto gesehen haben, das in hohem Tempo am Unfallort vorbeirauschte. Darin saßen laut Lorenz mehrere Männer mit Tattoos am Hals und Waffen in der Hand. "Das war die Russenmafia. Die waren hinter dem her“, vermutet der Beamte, den Schenk gegenüber Ballauf als einen "Bomben Polizisten mit eigenwilligem Charakter" bezeichnet.

Was hat die Russenmafia damit zu tun?

Im Gegensatz zu Freddy, der womöglich aus alter Verbundenheit den Ausführungen des alten Freundes zunächst Glauben schenkt, und sehen möchte, was Lorenz gesehen haben mag, hegt Max von Anfang an Zweifel an dieser Theorie. Trotzdem machen sich beide Fahnder an die Arbeit. Allerdings fördern selbst intensivste Recherchen keinerlei Belege für Lorenz' Thesen zutage. Weder stand der Tote in Kontakt mit der Russenmafia, noch können Videoaufnahmen vom Tatort die Theorie des zweiten Wagens belegen.

Das macht Lorenz nun richtig wütend. Er vermutet eine Verschwörung. Behauptet, jemand habe die Bilder manipuliert und wähnt gar einen Maulwurf bei der Polizei, der mit der Mafia kooperiert. Daher reißt der Beamte das Heft des Handelns an sich. Er ermittelt auf eigene Faust und löst dabei einen blutigen Rachefeldzug aus.

Ein Mann am Ende seiner Kräfte

Die von Arne Nolting und Jan Martin Scharf erdachte Geschichte besitzt gute Ansätze. So geht es darin um einen völlig überarbeiteten Polizisten, der sich mehr und mehr im Stich gelassen fühlt. Frank Lorenz ist ein Mann, dessen instabile Persönlichkeit mit der täglichen Arbeitslast nicht mehr zurande kommt, und der hinter jeder Ecke eine lebensbedrohliche Gefahr wähnt.

Nach "Alles was Sie sagen" aus dem vergangenen Jahr hat das mehrfach ausgezeichnete Autoren-Team also ein weiteres ziemlich interessantes "Tatort"-Drehbuch verfasst. Unglücklich nur, dass gerade erst ein ähnlich konzipiertes Skript, in dem unterschiedliche Wahrnehmungen eine große Rolle spielen, Einzug in einem Sonntagabend-Krimi hielt.

Mit diesem Film im Hinterkopf löst das Finale in Noltings und Scharfs Geschichte leider keinen großen Wow-Effekt mehr aus, wie noch der Showdown im "Tatort" kurz vor Weihnachten. Lässt man diesen Umstand jedoch außer Acht, offenbart sich dem Zuschauer ein durchweg gelungener und sehr ansprechend inszenierter Thriller, der darüber hinaus etliche rasante Szenen bereithält.

Außerdem wirkt mit dem Schweizer Roeland Wiesnekker ein gut aufgelegter, nur hin und wieder übers dramaturgische Ziel hinausschießender, Episoden-Hauptdarsteller mit. Er präsentiert sich den mit allen Wassern gewaschenen Buddy-Cops, die zeitweise richtig schön auf Krawall gebürstet sind und auf Konfrontationskurs gehen, als ein in allen Belangen würdiges Gegenüber.

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