"Tatort" aus Köln: Neue Ballaufsche Härte

18.3.2018, 21:42 Uhr
Ein "Tatort", der andere Erzählwege geht: In "Mitgehangen" wird auf den üblicherweise chronologischen Handlungsstrang verzichtet.

© Das Erste Ein "Tatort", der andere Erzählwege geht: In "Mitgehangen" wird auf den üblicherweise chronologischen Handlungsstrang verzichtet.

So ein "Tatort" läuft ja bekanntlich mehr oder weniger immer wieder nach dem gleichen Muster ab: Irgendwer bringt irgendwen aus irgendwelchen Gründen um die Ecke. Der Gerichtsmediziner rückt an. Kurze Zeit später die Kommissare. Am Ende spüren sie schließlich mit einer Mélange aus Glück und Verstand den Schuldigen auf. Naja, meistens zumindest.

Um nun zu verhindern, dass eine vorhersehbare Geschichte zu vorhersehbar gerät, reichern die einen Autoren ihre Plots mit ein paar interessanten Wendungen an. Andere wiederum verzichten auf derartigen stilistischen Krimskrams. Sie setzen lieber voll und ganz auf Bewährtes, was hier an dieser Stelle jedoch nicht automatisch als Kritik verstanden werden möge.

In Köln schieben die ungekrönten Könige des eher klassischen Krimi-Formats Dienst. Während anderswo schon mal mit gruseligen Geistern und wüsten Würgern gerungen wird, mordet und fahndet man in und um die Domstadt herum konventionell. Links und rechts des Rheins sterben die Opfer vorzugsweise durch einen gezielten Schuss, einen Messerstich oder aufgrund eines Hiebs auf den Hinterkopf. Im Anschluss daran entlocken Ballauf und Schenk ihren zügig eingekreisten Tatverdächtigen dann mittels zermürbender Verhörrunden ein Geständnis.

Genau so haben sie das eigentlich auch dieses Mal vor. "Schön weichkochen" wollen sie ihren Hauptverdächtigen, den Familienvater Matthes Grevel (Moritz Grove). Ihm wird zur Last gelegt, seinen Geschäftspartner Florin Baciu getötet zu haben. Grevel streitet zwar alles ab, wandert aber trotzdem in U-Haft.

Kommissare sind sich uneins

Verglichen mit den Vorgängerfilmen tanzt der 72. Fall der Kommissare nun allerdings etwas aus der Reihe. Denn in Sebastian Kos "Tatort" ist einiges anders. So wird "Mitgehangen" nicht wie üblich chronologisch erzählt. Der Film startet mittendrin und zwar mit dem Suizid des unter Mordverdacht geratenen Reifenhändlers in seiner Zelle. Anschließend schildert der Regisseur in einer fast einstündigen Rückblende – erst danach folgt Ko einem linearen Erzählstrang – , wie Grevels persönlicher Alptraum Konturen annimmt, sein Leben aus den Fugen gerät.

Der Tatverdacht stellt eine immense psychische Belastung dar. Er zieht alle Grevels – nicht nur den Vater – in den Mahlstrom einer familiären Tragödie hinein. Mit dem Resultat, dass die Familie letztendlich daran zerbricht. Vor den Gefängnismauern finden die üblichen Vorverurteilungen statt. Dahinter kann Grevel dem Ermittlungsdruck bald nicht mehr standhalten. Verzweifelt und entkräftet erhängt er sich in der Zelle und die Kommissare müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie es mit dem "Weichkochen" diesmal nicht etwas übertrieben haben.

Vor allem der ungewohnt rau und kalt zu Werke gehende Ballauf scheint mit der kompromisslosen Verhörarbeit übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Während Schenk die ganze Zeit über versucht, die Augen in alle Richtungen offen zu halten, agiert Ballauf geradezu verbissen. Er lässt keinen Zweifel an Grevels Schuld gelten. Die Folge ist ein lauter Disput mit dem Kollegen. Derart rücksichtslos und laut polternd hat man Ballauf selten erlebt und so uneins sah man die sonstigen Buddy-Cops sowieso noch nie.

Zu einer Befriedung des Präsidiums kann da der neue Assistent Jütte (Roland Riebeling) ebenso wenig beitragen. Ganz im Gegenteil, mit seiner gemächlichen Art gießt der als Bummelant verschriene Kollege eher noch mehr Öl ins Feuer. Für einen angenehmen frischen Wind im Kommissariat sorgt der gut vernetzte, schlitzohrige Gehilfe dennoch. In seiner Figur schlummert viel Potenzial, das in zukünftigen Folgen hoffentlich zum Vorschein kommt.

Erfrischender Kölner "Tatort"

Regisseur Sebastian Ko und Autor Johannes Rotter gelingt ein erfrischender weil untypischer Kölner "Tatort", der allein dank des aufgebrochenen Erzählstils Spannung generiert. So darf der Zuschauer bis zum Finale berechtigte Zweifel an Grevels Schuld hegen oder aber felsenfest davon überzeugt sein, dass es sich bei ihm um den Mörder handelt. Es hängt allein von der Sichtweise ab: Folgt man Ballaufs oder Schenks Theorie.

Daneben halten Ko und Rotter den Zuschauer mit vielen visuellen Mitteln bei der Stange. Wasser stellt das große Leitmotiv dar. Aus einem See wird das Opfer geborgen. In der U-Haft beobachtet Grevel, wie sich ein Wasserfleck an der Decke ausbreitet. Und Ballauf erinnert sich plötzlich an alte Schwimmerzeiten, was dazu führt, dass er morgens vorm Dienst regelmäßig ein paar Bahnen zieht.

Daneben gibt es kaum Einstellungen aus der Totalen. Stattdessen kommt die Kamera den Darstellen sehr nahe. Den nötigen Rest besorgt ein stimmiger Score, der – wie für Köln üblich – vorwiegend jazzige Sounds bereithält. So künden die Töne in der einen Szene von Trauer, in einer anderen erzeugen sie Nervenkitzel. Zu guter Letzt darf auch noch der große Leonard Cohen noch eins seiner Lieder anstimmen. "Tatort"-Herz, was willste mehr.

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