"Tatort": Die Dresdner Gosse und ein Hauch von Stromberg

2.10.2016, 21:46 Uhr

© MDR/Gordon Mühle

Dresden hat seit geraumer Zeit ein kleines Imageproblem. Regelmäßig spazieren sogenannte besorgte Bürger durch die Straßen und zwei kürzlich verübte, offenbar politisch motivierte Brandanschläge bereiten der städtischen Marketingabteilung Kopfschmerzen. Alles keine gute Promo für die an diesem Wochenende in Dresden stattfindenden Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit.

Immerhin sammelt da der neue Elbflorenz-"Tatort" weitere Sympathiepunkte. Nach dem gelungenen Auftakt, in dem die gesamte Schlagerbranche gekonnt durch den Kakao gezogen wurde, beleuchtet "Der König der Gosse" eine andere Parallelwelt. So spielt sich der zweite Fall im Obdachlosen-Milieu ab, einer ziemlich traurigen Umgebung. Sie steht im Gegensatz zu der schrillen Szenerie der Premiere, die mit einer Unmenge an Gags ausgestattet war.

Gesellschaftliche Satire

Heitere Momente finden zwar auch in diesem Krimi statt. Doch ist "Der König der Gosse" mit weniger komödiantischen Momenten gespickt, als "Auf einen Schlag". Regisseur Dror Zahavi findet die Balance zwischen Krimi und Klamauk. Sicherlich auch deshalb, weil erneut "Stromberg"-Erfinder Ralf Husmann die Feder geschwungen hat. Zahavi geht sogar soweit, seinen zweiten Dresdner "Tatort" als gesellschaftliche Satire zu bezeichnen.

Im Fokus stehen Hansi (Arved Birnbaum), Platte (David Bredin), und Eumel (Alexander Hörbe). Die Obdachlosen versuchen mit Würde und Moral durch ein Leben zu gehen, das für diese Werte normalerweise nicht viel übrig hat. Diese drei Gestalten sind gesellschaftliche Verlierer. Wenn sie nun noch korrupten Politikern und Managern, den sogenannten Schlipsträgern, in die Quere kommen, nimmt ihr Schicksal den tragischen Verlauf, der für solche "Loser" vorgesehen ist.

Der Dresdner "Tatort" beginnt also damit, wie Hansi, Platte und Eumel die Polizei rufen. Sie wollen gesehen haben, wie Hans-Martin Taubert von einer Brücke gestoßen worden ist. Der Gestürzte, der wenig später im Krankhenhaus stirbt, erwarb sich mit seiner Arbeit als Sozialunternehmer große Sympathie unter den Wohnungslosen. Taubert kümmerte sich mit seiner "Berberhilfe" um Hilfsbedürftige. Er besorgte ihnen Unterkünfte, organisierte für sie Arbeit. "Der König der Gosse" hat es durch die Armen aber auch zu einem beträchtlichen Reichtum gebracht. Die drei Clochards, die sich selbst als Tauberts Security bezeichnen, versichern, dass ihr Chef in letzter Zeit häufig bedroht worden sei.

Damit bekommen die zwei unterschiedlich denkenden Ermittlerinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) jede Menge Arbeit. Nicht nur die drei Landstreicher stehen wegen ihrer widersprüchlichen Aussagen unter Beobachtung. Auch Tauberts Bruder scheint verdächtig sowie Markt-Konkurrent Schleibusch von der Organisation "Dach für Alle". Der kandidiert obendrein für den Stadtrat. Das macht ihn keineswegs unverdächtiger.

Schnabel wie Stromberg

Der zweite Dresden-"Tatort" bereitet erneut große Freude. Husmann entwirft ein schwungvolles Drehbuch, das weniger einen spektakulären Kriminalfall ins Schaufenster stellt, als vielmehr die darin vorkommenden Personen. Neben den Episodenhauptfiguren gewinnen so auch die Ermittler selbst weiter an Profil. Die Ausflüge ins Privatleben der alleinerziehenden Kommissarin (Gorniak) und der in einer Beziehungssackgasse steckenden Kollegin (Sieland) stoßen keinen Moment sauer auf. Grandios ist überdies das sanfte Tête-à-Tête des altmodischen Kommissariatsleiters Schnabel (Martin Brambach) mit Wiebke (Jule Böwe), einer ehemaligen Kollegin aus der Betrugsabteilung. Dieser Handlungsstrang trägt starke Stromberg'sche Züge und erinnert zuweilen an gute, alte Loriot-Zeiten.

Ein besonderer filmischer Kniff ist übrigens, dass die Handlung sich über zahlreiche Rückblenden entfaltet. Dabei handelt es sich um keine Rückblenden im klassischen Sinne. Gezeigt werden bestimmte Situationen aus verschiedenen Perspektiven. Dabei kommt es zu unterschiedlichen und oftmals konträren Aussagen. So generiert Zahavi eine besondere Spannung und lässt so den Zuschauer (fast) bis zum Schluss im Dunkeln tappen.

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