"Tatort" Dortmund: Ein Krimi über Mistsäue und Krieg

9.10.2016, 21:45 Uhr

© WDR/Thomas Kost

Sonntagabend, "Tatort" aus Dortmund, da kann sich der geneigte Krimifreund zurücklehnen. Denn er weiß: Die nächsten eineinhalb Stunden werden nicht so bemüht kultig wie die Ausgabe aus Köln, nicht so bemüht lustig wie die Ausgabe aus Münster und nicht so bemüht bemüht wie alle anderen Ausgaben.

Der Präsident eines Rockerclubs kommt aus dem Gefängnis, in Reih und Glied haben sich vier Mitglieder vor dem Gefängnistor aufgestellt und lassen ihre Maschinen zur Begrüßung brummen – das muss kesseln, direkt ab der ersten Minute. Zeitgleich rammt im Herzen Dortmunds, denn diese Dinge müssen immer im Herzen der Stadt spielen, ein Jeep ein Mitglied des Clubs von seinem Motorrad. Zwei Männer springen aus dem Wagen, klauen einen Rucksack. Wenige Szenen später sind auch sie tot in einer Garage. Und dann passiert: nichts.

Das macht dem Krimifreund aber nichts, denn er weiß auch, dass es beim "Tatort" aus Dortmund nicht um den Fall geht. Denn eigentlich schaltet der Zuschauer ein, um zu sehen, wie sich die Kommissare Faber, Bönisch, Dalay und Kossik gegenseitig auf den Sender gehen, sodass wirkliches Arbeiten gar nicht mehr möglich ist. Toll, denkt sich da der Krimifreund, fast wie bei mir im Büro.

Allerdings schaut dieses Mal wirklich die Dienstaufsichtsbehörde vorbei, um Faber (Jörg Hartmann) auf die Finger zu schauen. Um diesen Aspekt der Geschichte zu tragen, hätte das Drehbuch jedoch langsamer erzählen müssen. Fabers Versuche, sich Johannes Pröll (Milan Peschel) zu entziehen, sind plump, sein Sinneswandel im Laufe von "Zahltag" noch plumper.

Die Einrichtung der Kneipe sieht aus wie im Katalog

Beziehungsgespräche dürfen in der Eckkneipe ablaufen, während die Jukebox den "Wind Of Change" durch das Interieur wehen lässt. Es versteht sich von selbst, dass die Einrichtung der Kneipe wie aus dem Katalog aussieht. In einem Krimi im deutschen Fernsehen herrschen eben selbst dort Ordnung und Sauberkeit. Das mag der Krimifreund so.

"Da draußen herrscht Krieg, verdammt nochmal", brüllt ein Rocker kurz vor dem Ende. Ja, stell Dir vor, es ist Krieg und niemand sieht ihn. Zwar gibt es die Schießerei am Anfang und irgendwie sind sich Biker und Mafia hier nicht sympathisch, aber den Krieg, den stellt sich selbst der Krimifreund anders vor.

Dieser "Tatort" könnte mehr, wenn er nur wollte

Warum kann sich nicht ein "Tatort" mal Zeit für seine Figuren nehmen? Warum verkommen die Probleme der Kommissare stets zu zwecklosen Befindlichkeiten? "Faber, Sie sind eine verdammte Mistsau", sagt Kossik (Stefan Konarske). "Bis morgen." Jede Figur schleppt ihre Probleme mit rum, aber die Macher sagen damit wenig. Außer eben: Schau an, müder Krimifreund auf der Couch, hier schleppen sich Menschen durch das Bild mit den gleichen Sorgen wie Du. Hier dürfen sogar Menschen beim Pizzaessen einen Augenblick der tiefen Selbsterkenntnis haben. Als hätten sich im Fall selbst nicht genug Möglichkeiten geboten, um so etwas in einem Drehbuch unterzubekommen.

Und das macht es so ärgerlich: Dieser "Tatort" könnte mehr, wenn er nur wollte. Aber selbst Faber darf ja kein richtiges Ekel sein. Nur so ein kleines Ekel, ein öffentlich-rechtliches Ekel, wo der Krimifan weiß: Eigentlich ist das doch ein Guter. Und wenn die Geschichte das nie infrage stellt, ja, dann ist sie vielleicht einfach keine gute Geschichte. Denn gute Geschichten brauchen gute Charaktere, aber nicht unbedingt gute Menschen. 

Am Ende ist der Fall gelöst, so wie sich der Krimifreund das vorgestellt hat. Die Bösen verschwinden von der Bildoberfläche, auf der sie in dieser Geschichte sowieso nie wirklich aufgetaucht sind. "Haben in Dortmund denn alle einen Dachschaden?", sagt Kommissar Faber am Ende. Ja, haben sie. Und nicht nur dort. So gefällt das dem Krimifreund. Was sie wohl morgen im Büro dazu sagen werden?

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