"The 15:17 to Paris": Ein misslungenes Eastwood-Werk

23.4.2018, 06:00 Uhr
Noch ahnen sie nicht, was gleich geschieht: Alek Skarlatos, Anthony Sadler und Spencer Stone (v.l.) im Thalys-Express vor ihrem mutigen Einsatz.

© Warner Noch ahnen sie nicht, was gleich geschieht: Alek Skarlatos, Anthony Sadler und Spencer Stone (v.l.) im Thalys-Express vor ihrem mutigen Einsatz.

Erstaunlich ist es nicht, dass Clint Eastwood ein Interesse für die Ereignisse des 21. August 2015 im Hochgeschwindigkeitszug Thalys entwickelte. Heldenhafte Männer, die sich im Zweifelsfall schon militärisch oder sonst irgendwie patriotisch bewiesen haben und jede noch so schwierige Situation selbst in die Hand nehmen, waren schon immer die bevorzugten Protagonisten des 87-jährigen Hollywood-Haudegen.

Zur Erinnerung: In Brüssel stieg damals ein Attentäter zu, der wenig später schwer bewaffnet aus einer Zugtoilette trat und das Feuer eröffnete, bevor er von einigen mutigen Passagieren – darunter drei junge Amerikaner auf Europa-Reise – überwältigt wurde. Dank ihnen kam niemand ums Leben. Eastwood sucht in diesem Vorfall nun den Stoff für einen Spielfilm – wird aber nicht wirklich fündig. Der Anschlag und seine Vereitelung – relativ packend und mit fast dokumentarischer Unmittelbarkeit gefilmt – nimmt am Ende knapp ein Viertel des Films ein.

Der Rest ist Biografisches zu seinem Heldentrio, recht uninspiriert inszeniert. Zu Beginn sieht man Spencer, Alek und Anthony als Kinder, wie sie an ihrer katholischen Schule zum Rektor zitiert und von teils alleinerziehenden Müttern groß gezogen werden und ansonsten ihrer Freude am Krieg-Spielen frönen. Später trimmt Spencer sich in kürzester Zeit vom übergewichtigen Schluffi zur Armee-Tauglichkeit und landet bei der Air Force, während Alek es mit der Oregon Army National Guard sogar bis Afghanistan schafft. Dann wird noch der Europatrip der Freunde im Schnelldurchlauf abgearbeitet: Selfies in Rom, Rotweintrinken und Urlaubsflirt in Venedig, Nazibunker-Sprüche in Berlin, Feiern in Amsterdam.

Wirklich etwas zu erzählen hat Eastwood in dieser überlangen Exposition leider nicht. Woher kommt die frühe Faszination für Waffen? Was verbindet die drei noch als Erwachsene? Und was geht in Menschen vor, die ihr eigenes Leben riskieren, um andere zu retten? In "15:17 to Paris" gibt es auf all das keine Antworten.

Gut möglich, dass versierte Schauspieler dem schwachen Drehbuch ein bisschen Tiefe abgerungen hätten. Doch Eastwood lässt aus unerfindlichen Gründen Spencer Stone, Alek Skarlatos und Anthony Sadler sich selbst spielen. So sympathisch diese drei Helden des wahren Lebens sind, so wenig wurde ihnen darstellerisches Talent in die Wiege gelegt. Am Ende freut man sich, wenn ihnen Frankreichs Präsident Hollande die Orden der Ehrenlegion ans Poloshirt heftet. Aber man wünscht ihnen auch ein besseres filmisches Denkmal. (USA/94 Min.)

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