Theaterautor Roman Sikora kommt nach Nürnberg

29.6.2017, 09:00 Uhr
Beim Festival "Talking about Borders" wird Sikora am 30. Juni ausgezeichnet.

© Staatstheater Nürnberg Beim Festival "Talking about Borders" wird Sikora am 30. Juni ausgezeichnet.

In Ihren Stücken gehen Sie hart mit den Segnungen des Kapitalismus ins Gericht. Wie sehr hat sich das Leben in Tschechien verändert, seitdem das Land Mitglied der EU ist?

Sikora: Es gibt mehr Routen für Radfahrer- und Bildungstouristen,  Bahnstationen wurden erneuert, neue Autobahnen und Kaufhäuser wurden gebaut. Aber es gibt die gleichen (und tatsächlich noch größere) Idioten und Zyniker, die über uns herrschen. Nun besteht unter anderem die Gefahr einer Bedrohung durch einen Oligarchen, der einen beachtlichen Teil seines Gewinns durch Subventionen aus Biokraftstoff bezieht. Im Vergleich mit dem Westen betragen unsere Gehälter freilich immer noch etwa nur ein Viertel, die Lebenshaltungskosten dagegen haben mittlerweile durchaus westliches Niveau erreicht. Der Annäherungsprozess zum westlichen Teil der EU ist bereits gestoppt, da unsere Zentralbank seit Jahren versucht, die tschechische Währung abzuwerten und so exportieren wir keinen unbeträchtlichen Teil unserer Arbeit praktisch umsonst. Nur um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Sklavenarbeit so effektiv wie in Asien anbieten zu können, damit die Konzerne nicht abwandern. Wir leben seit Jahren in einer ökonomischen Krise und das Establishment hat uns längst davon überzeugt, dass wir alle die Gürtel enger schnallen müssen: "Die Party ist vorbei ist!"

Wie wichtig ist es für einen tschechischen Dramatiker, internationale Anerkennung zu gewinnen? Ist das eine Motivation für junge Theaterautoren?

Sikora: Für einen tschechischen Autor – wenn auch in meinem Fall nicht mehr jung – sind das großartige Nachrichten. Und für mich persönlich ist es auch eine Genugtuung. Ich sende meine Stücke nicht bei tschechischen Wettbewerben ein, sie waren in den vergangenen Jahren auch mehr auf Bühnen im Ausland zu sehen als in Tschechien. Aber "Bekenntnisse eines Masochisten“ etwa, mein erfolgreichstes Stück bisher, feierte im Prager Theater Letí schon große Erfolge und war für drei Spielzeiten im Repertoire. Die Kritiker dagegen lehnten es als oberflächlich politisch ab und machten sich nicht die Mühe, darüber zu berichten, dass das Stück in vielen europäischen Ländern, sogar in Russland, aufgeführt wurde.

Beim Festival "Talking about Borders" wird Sikora am 30. Juni um 19.30 Uhr mit dem Preis für das beste Stück ausgezeichnet. Das Festival bietet szenische Lesungen, Konzerte und reichhaltiges Programm. www.staatstheater-nuernberg.de

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