Unterhaltsamer Philosoph

31.8.2015, 18:46 Uhr
Unterhaltsamer Philosoph

© F.: Tsimplostefanaki

Es war heiß im Markgrafentheater, und noch heißer als den Zuschauern war es wohl Robert Menasse. Denn der musste ja auf der Bühne gestenreich erläutern, wie man Hegel als abenteuerlichen Bildungsroman liest: Selten war Philosophie so unterhaltsam wie an diesem buchstäblich Geist-reichen Abschlussabend. Denn das ist wohl das Haupt-Talent dieses Robert Menasse: Komplexe Gedankengänge brillant und mit überbordendem Erzählfluss auf den Punkt zu bringen.

Was ihn dabei von anderen unterscheidet ist seine konsequente Haltung. „Ich fühle mich meiner Zeitgenossenschaft verpflichtet“, betont er mehrmals. Ein Dienender der Zeitgeschichte, der Dinge grundsätzlich hinterfragt, das „Diktat der Avantgarde über die Erzähler“ in den 70er und 80er Jahren ebenso wie die Epoche der sexuellen Befreiung, die er in einem Roman verarbeitet hat. „Da wurden Seelen zerstört.“

Welche Verdienste er sich mit dem geschliffenen Widerspruch erworben hat, zeigt sein breites Werk. Die meisten kennen eher seine scharfen Essays, mit denen er immer wieder die konservativen Krusten in Österreich anzukratzen versuchte. Genutzt hat es wenig, es zu lesen ist trotzdem bereichernd. Und wenn er das Eingangskapitel aus dem Roman „Vertreibung aus der Hölle“ vorträgt, in dem ein ehemaliger Schüler seine alten Lehrer mit ihrer NS-Vergangenheit konfrontiert, dann mischen sich staubtrockener Humor, Erzählkunst und Kritik.

„Seit 2000 haben mich die Österreich-kritischen Essays auch nicht mehr interessiert, mit dem EU-Beitritt habe ich gehofft, dass wir mehr von Brüssel aus regiert werden“, sagt Menasse. Allein der Satz macht ihn zum Außenseiter, als vehementer Fürsprecher der EU-Strukturen, wie er in der Streitschrift „Der Europäische Landbote“ und auf dem Erlanger Podium am Sonntag Mittag bewies.

Das unabhängige Denken hat Menasse im Internat und im Philosophie-Studium gelernt: Bücher waren die einzige Flucht aus der schrecklichen Erziehungsanstalt – „ich habe immer die dicksten Romane genommen, weil nur ein Buch pro Woche ausleihbar war.“ Das Resultat: Eine Lust am Erzählen, die in seinen Romanen hervorbricht.

Ein gewisses Außenseitertum begleitet Menasse ein Leben lang: Der Sohn eines jüdischen Fußballers, der es als Rechtsaußen bis in die österreichische Nationalmannschaft gebracht hat, schafft es jetzt, „ein Linksaußen in der Philosophie“ zu sein. Über Verfolgung und das Exil des Vaters als Kind in England wird zuhause nicht gesprochen. Im Internat, in das er mit sechs gesteckt wird, ist er Außenseiter, weil er sich nicht prügeln mag. „Mir war klar, dass ich wahrscheinlich nicht lebenstüchtig bin, wenn ich da rauskomme, weil wir von der Außenwelt abgeschottet waren“, sagt er nicht nur kokett. „Dass kaum etwas lebensgefährlicher ist als der Literaturbetrieb, wusste ich damals noch nicht.“

An der Uni war er, der längst beschlossen hatte, Schriftsteller zu werden, dann Herausgeber des „Zentralorgans herumstreunender Germanisten“, das sich kritisch mit den Vorlesungen auseinandersetzte. Dass ausgerechnet Österreich ihm 1998 den Staatspreis verlieh, sei eine „Gemeinheit“ gewesen, sagt Menasse. „Aber ich wollte an das Geld“, schiebt er verschmitzt nach. Genutzt hat er es, um den Jean Améry-Preis für Essayistik zu stiften.

„Sind Sie nicht müde, wollen Sie nicht rauchen gehen?“, fragt der Schriftsteller nach zwei intensiven Stunden selbst – und lässt sich dann noch überreden, einen brillanten Essay über das Wesen der Literatur vorzutragen. Nein, müde waren wir nicht, dazu war der Abend viel zu anregend.

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