"Utøya 22. Juli": Ein Thriller nach wahren Ereignissen

20.9.2018, 09:39 Uhr

© Agnete Brun

Am Nachmittag des 22. Juli 2011 explodiert im Regierungsviertel von Oslo eine Autobombe. Wenig später klingelt auf der kleinen Insel Utøya 40 Kilometer nordwestlich der norwegischen Hauptstadt das Handy von Kaja (Andrea Berntzen). Dran ist ihre besorgte Mutter. "Kein Grund, sich Sorgen zu machen", beruhigt sie die 18-Jährige. "Wir sind auf einer Insel, dem sichersten Ort der Welt!"

Trotzdem geht Kaja sicherheitshalber nach ihrer jüngeren Schwester Emilie (Elli Rhiannon Müller Osbourne) schauen, die mit ihr in das Sommercamp der sozialdemokratischen "Arbeiderpartiet" gereist ist. Doch es kommt zum Streit, so dass Kaja alleine zum abendlichen Grillfest loszieht.

So beginnt "Utøya 22. Juli": harmlos und leise. Der Clou: Alles ist in einer einzigen Einstellung gedreht, inszeniert als eine große, 90 Minuten lange Plansequenz ohne sichtbare Schnitte. Das funktioniert in der ersten Hälfte des Films ganz gut, wenn die Kids eben noch am Waffelstand diskutieren ("Terror – bei uns in Norwegen?"), plötzlich erste Schüsse fallen, keiner weiß, was los ist – und dann die große Panik losbricht ...

Mitten im Geschehen und Gewackel

Wie gesagt: Die Kamera folgt Kaja ohne Pause auf Schritt und Tritt, womit der Zuschauer ständig mitten im Geschehen ist — mit entsprechend viel Geruckel und Gewackel. Das Problem: Ab der Mitte des Films kommt dann nicht mehr viel. Kajas kopflose Hatz quer über die Insel rotiert in der Dauerschleife.

Hinzu kommt, dass die Protagonistin alles falsch macht, was man in so einer Situation nur falsch machen kann – und am Ende förmlich darum bettelt, von dem bis auf eine kurze Szene unsichtbar bleibenden Attentäter erschossen zu werden, wenn sie ihre sichere Deckung verlässt und sehenden Auges in dessen Schussfeld läuft. Spätestens hier ergibt sich "Utøya 22. Juli" der Dramaturgie eines x-beliebigen Teenie-Slasher-Horrorfilms samt "Final Girl"-Logik. Kann man machen, muss man nicht.

Der Mehrwert hält sich in Grenzen, und auch, wenn Regisseur Erik Poppe betont, dass seine Geschichte "nur eine von mehreren Wahrheiten" erzählt, so fragt man sich doch, wo der Film hin will mit seiner holprigen deutsche Synchronisation, den zum Teil abtörnend-unsympathischen Charakteren und einem belehrenden Abspann. Zumindest eine Falle hat der Regisseur bei aller Effekthascherei ausgelassen: Poppe vermeidet es tunlichst, dem realen Attentäter ein Denkmal zu setzen. Der Name des feigen Mörders fällt in dem Film kein einziges Mal. (N, 90 Min.)

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