Vom Schlagergott zum Metalfreak: Heino kommt nach Nürnberg

29.9.2015, 15:30 Uhr
Lederjacke, Totenkopf-Ring und die altbewährte Sonnenbrille: Heino zeigt seine harte Seite.

© Edgar Pfrogner Lederjacke, Totenkopf-Ring und die altbewährte Sonnenbrille: Heino zeigt seine harte Seite.

Wenn einem in den 80er Jahren jemand gesagt hätte, dass Heino ein Hardrock-Album aufnimmt, man hätte ihn barsch ausgelacht. Damals hätte aber auch keiner im Traum daran gedacht, dass die amerikanische Prügelkapelle Slayer mal Platz 1 der deutschen Charts belegen würde. 2015 ist beides wahr geworden, das Abendland steht noch, und bei genauerem Hinsehen geht das eigentlich alles gar nicht so schlecht zusammen.

Was ihre Musik angeht, sind Schlager- und Metalfans nicht nur ein ähnlich wertkonservatives Völkchen, sie sind auch die letzten, die noch physische Tonträger im größeren Stil kaufen. Und auch auf der Bühne funktionieren Kollaborationen von Roberto Blanco mit den Ruhrpott-Thrashern Sodom oder Heino mit Rammstein, wie das Wacken Open Air bewiesen hat. Da ist längst zusammengewachsen, was zusammen gehört.

Der x-te Karrieresommer

Was Rockgrößen wie Whitesnake, Ozzy Osbourne und die Scorpions können (große Farewell-Tourneen absolvieren und dann einfach weitermachen), kann Heino schon lange. Dass es für den x-ten Karrieresommer nun ausgerechnet die Spielart Schwermetall ist, amüsiert den Sänger selbst am allermeisten. Hand auf’s Herz: Wie kam’s denn nun zum Rocker Heino? „Das war meine bescheidene Idee“, holt der blondgefärbte Barde aus. „Ich spielte bei einem Festival in der Arena auf Schalke, außer mir waren nur Ballermänner da, ich war der einzige Künstler mit Band. Nun war es so, dass die 35.000 im Stadion irgendwann wie aus einem Mund ,Außer Heino können alle nach Hause gehen’ gesungen haben, was für meine Kollegen zugegeben ein wenig blöd war. Für mich aber gar nicht.“

Nach dem Konzert wandte sich Heino an seinen Manager und meinte: „Hörma, lass uns mal was für die jungen Menschen machen!“. Was hören die so? Ärzte, Hosen, Rammstein, Sportfreunde Stiller. Eine Vorauswahl an Liedern war schnell getroffen, vor allem die Texte mussten passen, „weil man mit Mitte 70 nicht mehr alles singen will“.

14 Tage später war die Platte im Kasten, eingespielt mit Session- und Studiomusikern aus der Kölner Szene, deren Namen Heino in Nürnberg nicht einfallen wollen („aber alles Spitzen-Leute!“). Die Bombe ging hoch, die Presse stürzte sich auf das Thema wie Silvio Berlusconi auf minderjährige Bunga Bunga-Tänzerinnen. Zum Titelsong „Schwarz blüht der Enzian“ entstand ein lustiger Videoclip mit alten Weggefährten wie Gotthilf Fischer, Patrick Lindner, Stefan Mross und den Wildecker Herzbuben. Und weil das Ding so gut läuft, folgt nun die Tournee durch die Rockclubs der Republik.

Hannelore hält ihn immernoch für verrückt

Fernab aller tradierten Feindbilder entdeckt ein junges Publikum die Schlagerlegende, die Jahrzehnte lang für „Schrankwand Eiche rustikal“ stand. Die alte Zielgruppe – so noch am Leben – findet es „weitgehend okay“, Ehefrau Hannelore hält ihn noch immer für verrückt. Und der Meister selbst? Der präsentiert sich beim Pressegespräch in Nürnberg freundlich, besonnen, ehrlich, aufgeräumt und nach über 50 Jahren im Musikgeschäft einfach nur tiefenentspannt. Der Typ hat tatsächlich keine Ahnung, was er da gerade tut, aber eine diebische Freude an seiner neuen Rolle und daran, im Alter noch mal richtig aufzudrehen; und dem Teil der Gesellschaft etwas zurückzugeben, der ihn Jahrzehnte lang so innbrünstig gehasst hat …

76 ist ja bekanntlich das neue 36. Kürzlich spazierte Heino mit Michel Friedman in Berlin durch den Park, als plötzlich drei junge Mädchen „Heino, Heino!“ riefen. Woher sie ihn denn kennen, wollte der Sänger wissen. „Na, von DSDS – Deutschland sucht den Superstar!“. „Darum geht es doch“, sagt der Sänger und mustert die anwesende Journalistenschar durch seine dunkle Brille. „Auf einen Schlag habe ich mein Publikum um 40 Jahre verjüngt. Der einzige, der alt geworden ist, bin ich.“

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