Von «Blaubeer-Mariechen« und anderen Mörderinnen

28.8.2008, 00:00 Uhr
Von «Blaubeer-Mariechen« und anderen Mörderinnen

© Eichborn Verlag

Der Autor ist vom Fach: Der 44-Jährige ist Kriminalhauptkommisar und gilt als Deutschlands renommiertester Serienmordexperte. Er enwickelte international angewandte Fahndungsmethoden, um Serientäter zu überführen und für Kinofilme wie «Hannibal« und «Zodiac« war er als Berater gefragt. Nun hat er sich auf die Suche nach den psychologischen und sozialen Spuren weiblichen Tötens begeben und gelangt dabei zu ebenso überraschenden und aufwühlenden Erkenntnissen.

Frauen und Männer morden mit unterschiedlicher Intention

«Während Männer morden, um zu beherrschen und zu vernichten, töten Frauen, um sich nicht beherrschen und vernichten zu lassen«, sagt Stephan Harbort. Männer töten oft in impulsiver Gewalttätigkeit. Frauen planen ihre Taten. Weil sie aus körperlichen Gründen meist gar nicht anders können. Vielleicht auch, weil sie vorher länger ausharren, sich nicht wehren. Dass sie fast nie im Affekt handeln, wird vielen Täterinnen später als besondere Heimtücke ausgelegt. Als Eiseskälte.

«Mörderinnen haben keine Problemlösungsstrategien«, stellt Harbort fest. Die Täterinnen kommen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Einige haben Minderwertigkeitsgefühle und Beziehungsstörungen. Auffällig ist: Sie alle bewältigen ihre Konflikte im Alltag nur schwer.

Reale Fakten

Die Kriminalstatistik zeigt: Gerade zehn Prozent der Tötungsdelikte wurden von Frauen begangen. Serienmörderinnen sind besonders selten - und so erklärt sich auch der fassungslose Ton, in dem Medien über Fälle berichten, im dem Anklage und Täterin so gar nicht zusammenpassen wollen. Wie bei «Blaubeer-Mariechen«. 1983 stand die Hausfrau mit den rosigen Wangen und den aufgedrehten Locken vor Gericht. Die achtfache Großmutter Maria Horn hatte gestanden, fünf Menschen mit dem Pflanzenschutzmittel E 605 vergiftet zu haben - Vater, Tante, zwei Ehemänner und einen Lebensgefährten. Damit die blaue Farbe des Giftes nicht auffiel, hatte sie ihren Opfern Blaubeerpudding serviert.

«Es sind auch die besonderen Lebensumstände, die Maria Horn in die Hände spielen«, schreibt Harbort. «Sie ist beliebt und hat einen tadellosen Leumund. Die Nachbarn schwärmen von ,Oma Horn‘ als dem Inbegriff der fürsorglichen Altenpflegerin, der aufopfernden Mutter und Großmutter.« Entdeckt wurden die Morde durch Zufall. «Wenn du meinen Sohn verlässt, bring’ ich dich auch um«, hatte sie einer der Schwiegertöchter gedroht.

Frauen morden in der Familie

Harborts Buch zeigt: Die Opfer von Frauen gehören meist zur Familie. Besonders gefährlich wird es für den Ehemann, so der Autor, wenn sich seine Frau einen Geliebten nimmt. Wie im Fall von Manfred Greiner. Er bot seinem Kollegen bei einer beruflichen Fortbildung ein Glas Enzian an, der nach einem Schluck zusammenbricht, vergiftet mit Zyankali. Die Schnapsflasche hatte Greiner per Post bekommen - von seiner Frau .

Neben Serienmorden in der eigenen Familie beschreibt Harbort Mütter, die ihre Babys töten, Mörderinnen, die aus Habgier zuschlagen und Krankenschwestern, die ihre Patienten umbringen. Der Autor schildert nicht nur die Taten, er beleuchtet auch Leben und Psyche der Täterinnen. Das mindert nicht die Schuld. Aber auf der moralischen Anklagebank lässt sie der schreibende Kriminalist nicht alleine sitzen. ULRIKE LÖW

Stephan Harbort: «Wenn Frauen morden", Eichborn-Verlag, 16,95 Euro. Im Oktober zeigt die ARD eine Dokumentation der Fälle.