Von China-Bildern und «Leute»-Porträts

5.11.2007, 00:00 Uhr
Von China-Bildern und «Leute»-Porträts

Zum zehnjährigen Bestehen der Partnerschaft Nürnberg/Shenzhen zeigen Johannes Grützke und Christoph Haupt ihre China-Bilder in Almoshof. Im Zentrum steht die heutige Volksrepublik, die längst so manches vom Westen übernommen hat: hässliche Betonhochhäuser, Konfektionskleidung, Fastfood und Coca Cola. Dargestellt wird aber auch, wie sich jene modernen «Errungenschaften» mit einer für uns nach wie vor rätselhaften Kultur vermischen. Die nicht immer politisch korrekten Bilder der beiden Künstlerfreunde sind geprägt von karikaturistischen Übertreibungen und Verzerrungen, aber auch von Verständnis und Sympathie.

Dass nicht jeder europäische Filzhut auf chinesische Köpfe passen will, demonstriert zum Beispiel ein virtuoser Linolschnitt von Christoph Haupt. Vor allem die Moralvorstellungen sind im Land des Lächelns ganz andere. Ein paar im Abendland völlig harmlos wirkende Aktbildlein können im prüden China einen handfesten Skandal auslösen. Deshalb sind einige von Haupts erotischeren Blättern bei der vorangegangenen Ausstellung in Shenzhen nicht zu sehen gewesen.

Von Beispielen «bürgerlicher Dekadenz» erzählen die Aquarelle von Johannes Grützke. Die Rede ist von chirurgischen Eingriffen, die an jungen Chinesinnen derzeit reihenweise vorgenommen werden: Sie lassen sich die Unterschenkel verlängern, denn Beine im langen, schlanken Hollywood-Format erhöhen die Chancen im Berufsleben und auf dem Heiratsmarkt. Eine grauenvolle Verirrung, die den alten Zyniker Grützke jedoch zu wirklich wunderbaren Malereien inspiriert hat. (Schloss Almoshof; bis 25. Nov., Mo.-Fr. 10-12 u. 14-16.30, Di. bis 18, So. 14-17 Uhr. Za

Wenn die Wirklichkeit aus permanenter Reizüberflutung besteht, kann die «Strichfassung» helfen, den Kern der Dinge herauszufiltern. Martin Hotter, der unter diesem Titel seine erste Einzelausstellung im Kunstverein Kohlenhof zeigt, reduziert die Welt auf jenes Maß, wo sie wieder erkennbar wird und etwas von ihrem eigentlichen Wesen, ihrem Subtext offenbart. Der «anonymen Biomasse Mensch» etwa versucht der Student von Ottmar Hörl in seiner Porträt-Serie «Leute» habhaft zu werden: Gesichter, kaum mehr als weiße Kringel auf grauer Pappe, in denen man doch typische Physiognomien erkennt.

Auf ähnliche Weise folgt auch die Manga-Serie «non-fiction» dem Prinzip «Narration durch Negation»: Indem Hotter Teile der Vorlagen schwärzt und sie als Plankopien aufzieht, werden die komplexen Bild-Text-Geschichten so weit verfremdet und vereinfacht, bis sie wieder als Bild für sich stehen. Fotoseiten aus Versandkatalogen, für Hotter wichtige Transporteure unserer Bildkultur, reduziert er in minimalistischen Zeichnungen auf schwarzem Grund bis zur Abstraktion. Und auch wie aus den Fehlern des Malers Kunst wird, demonstriert Hotter hier ganz selbstbewusst. Der 29-Jährige präsentiert sich als Bilderhinterfrager, der seine Sache mit Witz und zugleich mit großer Ernsthaftigkeit angeht. (Kohlenhof, Atelier- und Galeriehaus Defet, Gustav-Adolf-Str. 33; bis 25. November, Fr.-So. 14-18 Uhr) R.U.