Von einer, die auszog, Komikerin zu werden

9.2.2015, 13:05 Uhr

Miss Mailand, Madrid oder Memmingen zu werden, ist für viele junge Mädchen der Traum schlechthin. Nicht so für Barbara. Sie wird an einem kalten, regnerischen Tag im Juli 1964 (klar, wir sind in England) Miss Blackpool. Wohltätigkeitsveranstaltungen und Krankenhäuser warten auf die vollbusige blonde Schönheit — und sie können lange warten. Denn Barbara schmeißt die Scherpe umgehend zugunsten einer „dämlichen Rothaarigen“ hin und macht sich auf nach London.

Mit Barbaras Flucht aus der Provinz beginnt Nick Hornbys neuer Roman „Miss Blackpool“, der im Original „Funny Girl“ heißt. Ein Titel, der wesentlich besser passt, denn die junge Frau möchte Komikerin werden. Großes Vorbild: Die US-amerikanische Sitcom „I Love Lucy“ mit Lucille Ball. Barbara kennt alle Folgen auswendig.

Vor den Erfolg haben die Götter und hier im Besonderen Autor Nick Hornby natürlich noch den Frust gesetzt. Denn im Swinging London der 60er Jahre, wo das Leben pulsierte, die Gesellschaft im Umbruch war und das entstand, was wir heute Popkultur nennen, hat erstmal nur ein Kaufhaus Verwendung für die ehrgeizige Barbara. Doch durch Zufall lernt sie einen Agenten kennen und setzt durch, dass sie nicht nur für Bikini-Fotos posieren darf, sondern ein Vorsprechen bei der BBC wahrnehmen kann. Und dort schlägt Barbara ein wie eine Bombe . . . Ein Serien-Star ist geboren!

Sprachrohr der Popkultur

Die Leser lieben Nick Hornby (Jahrgang 1957) wegen seines Witzes und der unvergleichlichen Art, wie er einem seine Figuren direkt ins Herz gehen lässt, ohne kitschig zu sein. Und wegen seiner Liebe zur Popmusik und zum Fußball. Zahlreiche seiner Romane wurden verfilmt — „Fever Pitch“, „High Fidelity“, „About A Boy“, zuletzt „A Long Way Down“. Es würde schon sehr verwundern, wenn „Miss Blackpool“ sich da nicht alsbald einreihen würde. Nick Hornby arbeitet immerhin Staffel um Staffel Entstehung, Aufstieg und Niedergang der TV-Serie „Barbara (and Jim)“ ab. Wenn das nicht nach dem Kinoformat schreit!

Von den Kreativitätsschüben und dem Ausbleiben selbiger wird erzählt, wenn es um die Drehbuchschreiber Tony und Bill geht. Der eine vielleicht schwul, der andere ganz sicher und damit mit einem Bein stets im Gefängnis. Barbara, die jetzt Sophie Straw heißt, verlobt sich mit dem eitlen Schauspielkollegen Clive und kämpft mit den letzten Resten der Provinz in ihren Adern. Produzent Dennis sitzt im Fernsehen und muss das Ur-Streitgespräch der Kulturwelt überhaupt führen — darüber ob seine Art von TV-Comedy (die halb England in einen Rausch versetzt) nicht der Anfang vom Ende ist und der gute alte Shakespeare sich im Grabe umdreht. Debattieren muss Dennis zu allem Überfluss auch noch mit einem freudlosen Typen, der ihm die Ehefrau ausgespannt hat.

Man sieht schon: In Hornbys neuem Roman ist viel drin. Außerdem ist er voller auf den Punkt gebrachter, spritziger Dialoge, voller Anspielungen und Zitate auf die VIPs und Sternchen der damaligen Zeit, eigentlich voller Leben — und wirkt doch seltsam leblos.

Die über 400 Seiten lesen sich zwar geschmeidig runter. Aber wo man sich sonst gar nicht mehr trennen wollte von den liebenswerten Losern, denen Hornby gerne ein Denkmal setzt, sind einem die Probleme der Figuren in „Miss Blackpool“ über weite Strecken herzlich egal.

Zudem hört Hornby da auf, wo es eigentlich interessant wird: Das Ende des Romans spielt in der Jetztzeit, Barbara hat mit dem Verlust ihrer Jugendlichkeit und dem Tod ihres Mannes zu kämpfen, Bill ist ein alkoholsüchtiges Wrack, „Barbara (and Jim)“ erlebt ein nostalgisches Revival — da, wo es fesselnd werden könnte, ist leider Schluss. Trotzdem: Fans freuen sich schon jetzt auf den nächsten Hornby.

Nick Hornby: Miss Blackpool, Roman. Aus dem Englischen von Isabel Bogdan und Ingo Herzke. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 432 Seiten, 19,99 Euro.

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