Von Wien in die Welt

7.1.2018, 20:28 Uhr

Wiener Blut, so das Motto der Spielstätte am Ring, setzt ganz auf die Tradition der Strauß-Dynastie. Zwar dürfen im Programm die Namen anderer, die Walzer-Ära prägender Komponisten wie Carl Michael Ziehrer nicht fehlen. Doch im Musikreigen, der natürlich die böhmischen Polkas und die polnischen Mazurken nicht ausklammert, sind es insbesondere die Strauß-Söhne Johann und Joseph, die den Ton angeben. Alles Walzer? Schon damals wusste man, dass ein suggestiver Titel zur Vermarktung eines Musikstücks besser geeignet ist als die reine Opus-Zahl. Augenzwinkernd nahm etwa die "Tritsch-Tratsch-Polka" die Presselandschaft Wien aufs Korn.

Angeführt wird die Staatsphilharmonie vom estländischen Gastdirigenten Mihkel Kütson, der zwar frisurentechnisch mit dem Philosophen Richard David Precht auf Augenhöhe steht, aber die Agogik des Wiener Walzers wunderbar nach Nürnberg transferiert. An diesem Abend sind wir alle ein bisschen Musikverein, wenngleich die meisten Operetten von Strauß im Theater an der Wien ihre Premiere hatten, und die "Fledermaus" bis heute als einzige Operette auch in der Wiener Staatsoper zur Aufführung gebracht werden darf.

Die Symphoniker sind da tags darauf von einer deutlich größeren Reiselust und Neugierde beseelt. Während die Philharmoniker die Bezirke Wiens sich nicht zu verlassen trauen, geht es bei den Symphonikern vom Palais Schwarzenberg aus über den Rennsteig auf Morgenlandfahrt. Mit Mozart findet man sich gleich im Serail wieder, wo uns nicht nur die typischen Janitascharen-Klänge erwarten. Es folgt ein Abstecher zur Ballettmusik aus Verdis Aida, danach eine Begegnung mit algerischem Kolorit bei Camille Saint-Saëns.

Gastdirigent Christian Simonis, selbst gebürtiger Wiener, vertreibt den Nürnbergern die Stubenhockerei und nimmt sie mit auf eine Grand Tour. Lehrbuchmäßig führt er sein Publikum mit dem englischen Komponisten Albert Ketèlbey auf einen persischen Markt, wo es Kamele und Kalifen, aber auch Prinzessinnen und Händler gibt. Für das nötige Heimweh nach Wien sorgt die Sopranistin Jana Baumeister, die mit Walzerseligkeit die Zuhörer glücklich macht, die aber auch das Schicksal der Fatime aus Webers Singspiel "Abu Hassan" dramatisch übermitteln kann.

Mit Wiener Schmäh erweist sich auch die Moderation von Christian Simonis als durchaus ebenbürtig gegenüber seinem Pendant Kai Weßler im Opernhaus. Und vielleicht hat das Neujahrskonzert der Symphoniker neben seiner größeren musikalischen Vielfalt auch die aktuellere Neujahrsbotschaft: Musik war in früheren Zeiten stets für das Neue, Exotische, Unbekannte und Fremde aufgeschlossen. Daran gilt es in diesen Tagen wieder zu erinnern und anzuknüpfen. Exemplarisch standen hierfür die jeweils letzten Zugabestücke: Während sich die Staatsphilharmonie
mit dem restaurativen "Radetzky-Marsch" von ihrem begeisterten Publikum verabschiedete, peitschten die gleichfalls umjubelten Symphoniker das Neue Jahr mit Aram Chatschaturjans "Säbeltanz" ein.

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