Warum der Dresden-"Tatort" an "Basic Instinct" erinnert

21.5.2018, 21:45 Uhr
Kommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) datet im Undercover-Einsatz Petrick Wenzel (Aleksandar Jovanovic).

© MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Incoronato Kommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) datet im Undercover-Einsatz Petrick Wenzel (Aleksandar Jovanovic).

Als der Dresdner "Tatort" vor zwei Jahren startete, schien er zunächst eine Art Blaupause des Münsteraner Ablegers werden zu wollen. Denn die ersten drei Fälle strotzten trotz unterschiedlicher Thematik nur so vor Wortwitz und Skurrilität. Allein Martin Brambach als erzkonservativer Kommissariatsleiter Peter Schnabel, der mit den Auswüchsen der Moderne auf Kriegsfuß steht, lieferte eine Unmenge an genüsslichen Pointen.

Das änderte sich jedoch mit Ausstrahlung der vierten Episode. "Auge um Auge" präsentierte sich nahezu spaßbefreit. Das Komödienhafte, das den zuvor gesendeten Filmen diese Leichtigkeit verpasste und ihnen dadurch eine erfrischende Note verlieh, hielt in Franziska Meletzkys Krimi kaum mehr Einzug.

Diese Metamorphose hin zum seriösen Thriller setzte sich in Dustin Looses Spielfilm-Debüt "Déjà-vu" fort. Mit dem sehr gelungenen Psychogramm eines Pädophilen, das Das Erste Ende Januar zeigte, drängte sich allerdings der Eindruck auf, als habe die Sendeleitung ihr ursprüngliches Konzept, eine Mixtur aus Weimarer und Münsteraner "Tatort" in Dresden anzusiedeln, nun endgültig über den Haufen geworfen.

"Wer jetzt allein ist", der sechste und damit letzte Einsatz von Alwara Höfels als Kommissarin Henni Sieland, untermauert diesen Eindruck. Denn im Film von Theresa von Eltz, die damit ihre "Tatort"-Premiere feiert, dominieren abermals Ernsthaftigkeit und Drama, während heitere oder gar groteske Momente rar gesät sind.

Auf den Spuren von Sharon Stone und Michael Douglas

Im Zentrum des Geschehens stehen im weitesten Sinne alle möglichen Gefahren und Risiken, die das Thema Online-Dating birgt. Für die Regisseurin verdeutlichen diese Netzwerke "die Vereinsamung und Isolierung von Menschen". Zudem vertritt von Eltz die Meinung, dass durch das Kommunizieren im Netz unvermeidbare Missverständnisse entstünden. Diese führten ihrer Einschätzung nach zu Verletztheit und wie in ihrem Film schließlich zu Mord.

Autor Erol Yesilkaya, der vor allem in der jüngeren Vergangenheit mit seinen Drehbüchern zu "Meta", "Die Wahrheit" oder "Es lebe der Tod" herausragende Arbeiten ablieferte, formt auch aus dieser Grundidee, mit der Produzentin Nanni Erben an ihn und van Eltz herangetreten ist, ein sehr ansprechendes Skript.

Yesilkaya geht es in seiner Geschichte vor allem darum, zu beleuchten, was passiert, wenn sich das frisch kennengelernte Gegenüber als potentieller Mörder entpuppt, welche Faszination trotzdem oder gerade deshalb von solch einer Person ausgeht und weshalb ein Mensch, der das erkennt, nicht das einzig logische tut und schnellstmöglich die Beine in die Hand nimmt. "Wer jetzt allein ist" weckt somit einige längst verblasste Erinnerungen an "Basic Instinct" mit Michael Douglas und Sharon Stone. Auch ohne Eispickel.

Kommissarinnen im Undercover-Einsatz

Den Auftakt allen Übels bildet wie für einen "Tatort" üblich ein Mord. So muss die erst 22-jährige Doro Meisner ihr Leben lassen. Auf einem Parkplatz vor einer Disko wird die junge Frau mit einem Kabelbinder erdrosselt. Unter dem Namen "Birdy" lebte sie bis zu ihrem Tode auf dem Dating-Portal "Love Tender" ihre Vorliebe für ältere Männer aus. Weil sie die liebestrunkenen Herren mit falschen Versprechen um viel Geld geprellt haben soll, gehen die Kommissarinnen von einem Racheakt aus.

Rasch fördern die Fahnderinnen zwei Hauptverdächtige zutage. Um an Beweise zu gelangen, die dazu führen, den Täter hinter Gitter bringen zu können, lassen sich Sieland und Gorniak auf einen gefährlichen Undercover-Einsatz ein, bei dem sie gemeinsam mit dem Zuschauer tief in die Leben der zwei Beschuldigten eintauchen und dabei den Männern bedrohlich nahe kommen.

Obwohl zwar sehr bald absehbar ist, wer der Delinquent ist, bleibt der sich viel in spärlich beleuchteten Räumen abspielende Krimi, der den Darstellern in langen Einstellungen folgt, trotzdem bis zum Schluss absolut sehenswert.

Denn in dieser Episode ist es ohnehin weitaus spannender, den Ermittlerinnen dabei zuzusehen, wie sie dieser Fall mehr und mehr gefangen nimmt. Wie die scheinbar hypnotisierte Gorniak sich sehenden Auges in akute Lebensgefahr begibt und wie Sieland ungewollt schwanger und sichtlich ermüdet sogar das Handtuch wirft. Mit den Worten "Ich will das alles nicht mehr" verabschiedet sie sich am Ende der neunzig Minuten von ihrem Job und damit der Dresdner "Tatort"-Bühne.

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