Weimar-"Tatort": Pudding im Nischel, Stahl in der Hose

26.12.2017, 21:45 Uhr
Weimar-

© MDR/Wiedemann&Berg/Anke Neugebau

Nach einem ernsten, hochpolitischen Fall aus Hamburg in der vergangenen Woche, in dem Falke und Grosz hinter die auf Hochglanz polierte Fassade einer rechtspopulistischen Partei blickten, tun sich in der neuen surrealen Episode aus Weimar erwartungsgemäß wieder etwas mehr heitere Momente auf. So steht "Der wüste Gobi" also im krassen Gegensatz zu "Dunkle Zeit", der kaum näher an der Wirklichkeit hätte spielen können. Trotz dieser inhaltlichen Unterschiedlichkeit haben die zwei Filme etwas gemeinsam: Beide stehen exemplarisch für die thematische Vielfalt der traditionsreichen Sonntagabendkrimis im Ersten. Ein Beleg dafür, dass im "Tatort" nahezu alles möglich ist und kaum ein Stoff unberücksichtigt bleibt.

Wenn also in einem "Tatort" nahezu alles möglich ist, ist es das in Weimar bekanntermaßen erst recht. Vor allem dann, wenn man weiß, dass hier das wohl untypischste Ermittlergespann der deutschen Krimilandschaft agiert. Nora Tschirner (Dorn) und Christian Ulmen (Lessing) sind mit einem großartigen Humor gesegnet und besitzen ein außergewöhnliches Gefühl für Timing und Rhythmus. Dank ihrer Fähigkeiten ließen sie die bislang vier ausgestrahlten Folgen allesamt zu äußerst ansprechenden filmischen Leckerbissen mutieren.

Ein Mörder mit einem Faible für Strickunterwäsche

Erfreulicherweise haut auch ihr fünfter Einsatz in die gleiche Kerbe. So geht es diesmal um einen ungemein potenten, würgenden Frauenmörder mit einem schier unaussprechlichen Nachnamen, weshalb er von (fast) allen nur Gobi genannt wird. Der in der Klapse einsitzende Killer, der wegen der verabreichten Psychopharmaka jede Menge "Pudding im Nischel" hat und sich daher an keine seiner Morde mehr erinnern kann, büxt eines Nachts aus der Psychiatrie aus und hinterlässt auf seiner Flucht in die an Edgar Wallace-Filme erinnernde Kanalisation eine – natürlich – erwürgte Krankenschwester.

Diese Information ereilt Dorn und Lessing just in dem Moment, als sie zum ehelichen Beischlaf ansetzen. Ärgerlich. Eigentlich. Doch weil Zuhause die Heizung ausgefallen ist, kommt in der unterkühlten Stube wenig erotische Stimmung auf. So fällt der Umzug ins warme Dienstauto keinem der beiden wirklich schwer.

Im Zuge der Recherchen findet das Paar nun zügig heraus, dass der von Jürgen Vogel hinreißend verkörperte Damenmeuchler irrwitzigerweise einen großen Schlag bei den Frauen hat. So genießt er bei den Aufseherinnen in der Anstalt einen hervorragenden Ruf. Sie beschreiben ihn gar als äußerst höflich und zuvorkommend. Außerdem beglückte Gobi die gesamte weibliche Belegschaft während seines Aufenthalts mit maßgestrickten, extravaganten Dessous. Welcher Frauenmörder macht das schon.

Ein herrlicher Quatsch

Als dann noch Gobis eifersüchtige Freundin, die Harfinistin Mimi (Jeanette Hain), auftaucht, sich der Anstaltsleiter immer seltsamer verhält und Spucke im Kaffee der LKA-Kollegen landet, ist die Skurrilität auf die Spitze getrieben. Wie sonst auch, so sollte man spätestens jetzt aufhören, nach einem tieferen Sinn zu fahnden, und sich stattdessen voll und ganz an den schrägen Charakteren, gelungenen Dialogen sowie der hübschen Häkelwäsche erfreuen.

All diesen herrlichen Quatsch haben erneut Murmel Clausen und Andreas Pflüger zustande gebracht. Nachdem ihnen die Idee für das Märchen über den scheidenden Schupo nach einem kräftigen Schluck aus der Ilm kam, ist den Autoren die tragik-komische Geschichte über den Dessous strickenden Frauenmörder mit "Stahl in der Hose" eingefallen, als der bulgarische Schamane Teimurazi Dschughaschpaliaschwili ihnen eine schwere neurotische Persönlichkeitsstörung attestierte.

Er wies Clausen und Pflüger unverzüglich in eine geschlossene Anstalt ein. Dort lernten sie dann "sehr interessante Menschen kennen, deren Schicksale uns tief berührten". Mal sehen, woher die beiden die Inspiration zum Schreiben ihres nächsten Weimarer "Tatorts" bekommen. Schließlich ist in einem "Tatort", vor allem in Weimar, ja alles möglich.

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