Wiener "Tatort": Mordfall in der Upperclass

7.2.2016, 21:45 Uhr
Was zunächst nach einem Sexunfall aussieht, entpuppt sich als Mord.

© ARD Degeto/ORF/Petro Domenigg Was zunächst nach einem Sexunfall aussieht, entpuppt sich als Mord.

Sicher ist Sicher. Um klarzustellen, dass es sich bei "Sternschnuppe" um eine rein fiktive Geschichte handelt und alle darin vorkommenden Personen frei erfunden sind, beginnt der neue Wiener "Tatort" mit einer dementsprechenden Einblendung. Kaum ist die aus dem Bild gerauscht, startet eine knapp neunzigminütige Verballhornung des Castingshow-Geschäfts.

Drehbuchautor Uli Brée geht mit seiner Geschichte keinem Klischee aus dem Weg. Er überspitzt und übertreibt maßlos, dass man vor Freude nicht nur einmal auf die Schenkel klopfen muss. Wenig überraschend, hat der deutsch-österreichische Autor doch eine abgeschlossene Clownsausbildung in seiner Vita stehen.

Mord in einer "Wahnsinns Hüttn"

In seiner inzwischen fünften Arbeit für die Wiener "Tatort"-Macher beordert er die Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) in die "Wahnsinns Hüttn" von Udo Hausberger. Österreichs Antwort auf Dieter Bohlen baumelt gefesselt am Brausekopf seiner teuren Regendusche. Jegliches Leben ist ihm entfleucht. Zunächst gehen die Kripobeamten von einem Sexunfall aus. Der exzentrische Castingshow-Direktor scheint sich bei der Suche nach dem ultimativen Orgasmus unbeabsichtigt selbst entsorgt zu haben. Das vermutet auch dessen Gemahlin (Aglaia Szyszkowitz), die gerade von einem Tête-à-Tête mit ihrem zwanzig Jahre jüngeren Toyboy nach Hause kommt.

Bei der Obduktion der Leiche stellt sich allerdings heraus, dass Hausberger gewaltsam um die Ecke gebracht worden ist. Diese Nachricht erreicht Eisner und Fellner beim Sex des Alters, dem Essen. Da Hausberger deutlich mehr Feind- als Freundschaften gepflegt hat, kommen nun gleich mehrere Personen als potentielle Mörder in Frage.

Der Tod des exzentrischen, machtbesessenen Musikproduzenten, der die Teilnehmer seiner Show "Sing My Song" permanent unterdrückt und ausgenutzt hat, scheint Eisner und Fellner ziemlich zu beschäftigen. Vom Besuch eines Therapeuten, der mit Künstlernamen praktiziert und den Eisner bei einem Saunagang kennengelernt haben will, erhoffen sich die Dauersingles eigentlich aufschlussreiche Einblicke in das gewöhnungsbedürftige Liebesleben des Toten. Doch stattdessen kitzelt der Mediziner die Libido der Ermittler derart, dass die fortan alles anbalzen, was nicht bei drei auf dem Baum sitzt.

Let's talk about Sex, Baby!

Eisner trinkt Bier mit einer Tatverdächtigen und Fellner verabredet sich zum Liebesspiel mit einem Unbekannten. Das findet jedoch bereits vor dem vollständigen Aufknöpfen ihrer Satinbluse schon wieder ein jähes Ende, weil das Kommissariat nach ihr verlangt. Davor und danach bedauern die Cops immerzu ihr brachliegendes Sexualleben und gehen der Behauptung nach, wonach Menschen sich ihre Autos angeblich danach aussuchen, wie sie sich ihre Sexualpartner wünschen. Eisner lenkt einen biederen Golf, Fellner einen in die Jahre gekommenen Sportwagen, der selten anspringt. Das nur mal dazu.

Diesem illustrem Spiel beizuwohnen bereitet eine wahre Freude. Selten kamen zwei Kommissare einem Täter derart komödiantisch auf die Schliche. Dem ganzen zuträglich ist außerdem die Rolle des dauerquasselnden Kripo-Assistenten Schimpf (Thomas Stipsits). Er dient als Side-Kick und funktioniert einfach prima. Den puren Spaß am Dreh merkt man dem Ensemble im Allgemeinen und Krassnitzer und Neuhauser im Besonderen in jeder Szene an. Klar, vieles ist dem lockeren Drehbuch geschuldet. Doch selbst das beste Skript nützt nichts, wenn die Schauspieler es nicht verstehen, die Story entsprechend umzusetzen. Krassnitzer und Neuhauser sind im echten Leben kein Paar. Dennoch verbindet die beiden eine enge Freundschaft, was sie gern öffentlich bekennen.

Gelungene Parodie auf Castingshow-Branche

"Sternschnuppe" gelingt allerdings nicht nur, weil die Protagonisten vorzüglich miteinander harmonieren. Der Wiener-"Tatort" liefert vollkommene Unterhaltung, weil er das weltweit auf die gleiche Art und Weise operierende Castingshow-Business wunderbar durch den Kakao zieht und aufs Korn nimmt. Brée inszeniert einen machtgeilen Egomanen, neben den selbst Bohlen wie ein zahmer Ministrant aussieht, eine typische Redakteurin, die alles für den Sender und das Gelingen der Show gibt und eine stereotype Mutter, die will, dass ihr Sohn, die Karriere startet, die ihr nicht vergönnt war.

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