Zeiten der Gnade für gebrochene Männer

26.3.2011, 00:00 Uhr
Zeiten der Gnade für gebrochene Männer

© Times Of Grace

Adam Dutkiewicz ist in Metalcore-Kreisen kein Unbekannter. Der Mann, der Gitarre, Bass, Schlagzeug und Piano spielen und zu allem Überfluss auch noch singen kann, gilt als Multitalent und kreative Kraft hinter "Killswitch Engage" (KSE). Eine Band, die in den späten 90er Jahren das Genre des Metalcore quasi erfunden hat; oder zumindest als Mitbegründer dieser speziellen Musikrichtung hohe Akzeptanz und Zuneigung in der Szene genießt.

Trennungsgerüchte, Streitereien, neue Albumpläne: Bezüglich seiner Hausband geistert eine widersprüchliche Neuigkeit nach der anderen durch das Internet. Doch für Liebhaber purer Klänge alter Schule gibt es trotzdem gute Nachrichten zu vermelden. Adam ist immer wieder in Nebenprojekten unterwegs. Und was er jüngst auf die Beine gestellt hat, kommt der Perfektion gefährlich nahe.

"Times Of Grace" knüpft genau dort an, wo "Killswitch Engage" im Jahr 2002 mit Neu-Leadsänger Howard Jones aufhörte. Mit an Bord des mit zwei Plätzen besetzten Metal-Schlachtschiffs ist nämlich Jesse Leach. Der geniale KSE-Shouter der ersten Stunde meldet sich stimmgewaltig wie eh und je zurück. Genau so klingt auch "Times Of Grace": Gewaltig. Bereits die ersten Takte lassen Fan-Herzen höher schlagen. Das kollektive Gedächtnis fühlt sich gar in die Zeiten von "My Last Serenade" zurück versetzt.

Facettenreiche Höhepunkte

Die beiden Musiker auf KSE zu reduzieren wäre jedoch viel zu leicht und würde der Zwei-Mann-Armee nicht gerecht werden. "The Hymn Of A Broken Man", so der Titel des Debüt-Albums, zeigt doch so viel Potential in unterschiedlichster Ausprägung. Von sanftem Alternative, aggressivem Metalcore bis zu verspielt experimentellem Progressive Metal bietet der Erstling eine wahre Fülle diverser Klänge und Stimmungen.

Der Einstieg gestaltet sich klassisch: "Strength In Numbers" peitscht mit bebenden Drums und aggressiven Brüllattacken nach vorne. Die schnellen Gitarren und anspruchsvollen Schlagzeugkonstruktionen finden sich auch bei "Fight For Life" wieder. Allerdings klingt hier schon mehr Melodie durch. Ein gutes Stichwort für Song Nummer drei: Für Freunde des urtümlichen Metalcore ein erster Höhepunkt, denn "Willing" bietet alles, was das Herz begehrt. Insgesamt startet das Album angenehm ausgeglichen und leitet mit guter Balance auf die facettenreich Mitte über.

"Until The End Of Days" kommt sehr progressiv daher, "Live In Love" mit einprägsamem zweistimmigen Gesang dagegen metallisch. Bevor die zweite Albumhälfte durchstartet, wird es aber zunächst ruhig. "In The Arms Of Mercy" überrascht als kurzes auf zutiefst gefühlvolles Instrumental, das den Hörer gekonnt zur Ruhe kommen lässt. Doch jene währt nicht lange, spornt der namensgebende Titel "Hymn Of A Broken Man" doch direkt die Nackenmuskulatur an.

Auch "Hope Remains" oder "Worlds Apart" kicken, während im Fall der Standardedition "Fall From Grace" etwas ruhiger den Ausklang schmückt. Käufer der Special-Edition genießen als Bonus-Track die akustische Version von "Willing". Zusätzlich locken auf einer separaten DVD alle Songs als Videos, untermalt mit mehr oder weniger passenden Naturaufnahmen. Geschmackssache und eher als nette Dreingabe zu verstehen.

Der heimliche Star ist ein fast vergessener

Laut Dutkiewicz ist "The Hymn Of A Broken Man" sein bislang persönlichstes Werk. Das merkt man vor allem bei Song Nummer neun: "The Forgotten One". Ein Lied, das sowohl Adam als auch Jesse derart ehrlich und teils autobiographisch anmutend vortragen, dass sich die Gänsehaut wie selbstverständlich einstellt. Verloren in einem Meer von Traurigkeit, eingebettet in eine hoffnungsvolle Tonfolge, gepaart mit seichter Country-Romantik und dem Flair einer unausweichlichen wenngleich bittersüßen Ballade: Ein großes Stück Musik.

Fazit: "Times Of Grace" ist ein großartiges Projekt zweier mehr als begabter Künstler. Mit "Hymn Of A Broken Man" gelingt den beiden ein ebenso variantenreiches wie schwermütiges Debüt. Teils lebhaft, immer fordernd und keinesfalls langweilig für den Hörer kommt der Silberling der Perfektion gefährlich nahe. Ein seichtes wenn auch subjektives Abflachen ab der zweiten Hälfte verhindert zwar die Traumwertung. Aber formvollendete Perfektion wäre ja auch irgendwie unspektakulär.

Bewertung: 9 von 10

Info: Wer Adam und Jesse live sehen möchte, hat im Juni die Chance. "Times Of Grace" spielen 2011 bei Rock im Park.

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