Zwei fertige Hamburger Jungs auf Kreuzfahrt

24.2.2015, 19:22 Uhr
Zwei fertige Hamburger Jungs auf Kreuzfahrt

© Galiani

Mittlerweile hat Schulz, Jahrgang 1957 und zu Recht gerühmter Verfasser der „Hagener Trilogie“, zu seinem Hubert-Fichte-Preis und diversen anderen Auszeichnungen Ende Januar noch den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor verliehen bekommen. Damit hält er Einzug in einen Olymp, bislang besetzt von Loriot, Polt, Jandl, Gernhardt und anderen Größen . . . Stilistisch schreibt Frank Schulz „in einer eigenen Liga“, wie ihm der Humorkritiker der Satirezeitschrift Titanic attestiert, der sich schmissig formuliert davor drückt, das Besondere der Schulz’schen Stilpalette zwischen Kiez-Schnack und bildungsbürgerlicher Geschwollenheit näher unter die Lupe zu nehmen. Das ist nämlich nicht ganz einfach und erfordert Geduld und Nachsicht, wenn der Sprachberserker und Romantiker Schulz sich und seinen Helden die Zügel schießen lässt.

Leibwächter eines Angsthasen

Nun also Onno Viets zum Zweiten. Er ist pleite wie gehabt, „nicht mal’n Scherz auf meine Kosten kann ich mir leisten, ch, ch“, und unter dem Bann einer posttraumatischen Belastungsstörung, ausgelöst durch den irren Kiez-Riesen, mit dem er sich bei seinem ersten Einsatz herumschlagen musste. Und wieder ist es der Ich-Erzähler, Onnos Tischtennisfreund, Rechtsanwalt und Gönner, der ihm für 1000 Euro schwarz einen Auftrag zuschanzt, der sich ungeahnt fatal für den gutmütigen Onno entwickelt.

Es geht um des Rechtsanwalts hypochondrischen Vetter Donald, einen von Frau und Bodenhaftung verlassenen Künstler, der sich einbildet, bei einer Kreuzfahrtanimateuse erotisch Eindruck hinterlassen zu haben. Völlig hingerissen von seinem Altherrenwahn beschließt der Menschenverächter und Victimophobiker – sprich: klinischer Angsthase — , seiner Angebeteten auf ihrem Arbeitsplatz, einem Kreuzfahrtschiff, nachzustellen. Onno soll den Leibwächter und Psychoblitzableiter des Liebeskranken abgeben.

Zwei fertige Hamburger Jungs auf Kreuzfahrt

Zwei schon ziemlich fertige Hamburger Jungs, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, finden sich also inmitten von baumelnden Urlauberseelen, die der Künstler glühend hasst und die Onno gütig anlächelt. Ein Meer an bizarren Erscheinungs- und Kommunikationsformen gilt es vorzuführen, wobei der pausenlos vor sich hin sotternde Künstler im verängstigten Dauerrausch sich jeweils im Zentrum dieser Geschmacks- und „Fratzen“-Infamie wähnt. Warum dieser wiedererkennungstauglich der Kreativ-Bohème abgelauschte Dauerschwätzer auch der Schöpfer jener Hamburger Kasperliaden sein soll, die Schulz seinem Onno-Abenteuer als „Zwischenspiele“ in Dialektform und in „politisch korrekter“ Version untergemengt hat, bleibt so rätselhaft wie die Frage, was die da überhaupt verloren haben. Besonders komisch sind sie nicht.

Ganz und gar aus der Rolle fällt allerdings der tragische Endspurt von Schulzens zweitem Onno-Abenteuer, von dem nur so viel verraten werden soll, dass sich das Liebes- und Eheglück des Helden so hundsgemein verheddert, dass man meinen könnte, der Autor habe sich seinen Hartz-IV-Detektiv ein für alle Mal als Trauerspiel vom Hals schreiben wollen. Das hat Onno nicht verdient, und ein überwiegend hochkomischer Roman schon gar nicht.

Frank Schulz: Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen. Roman. Verlag Galiani, Berlin. 336 Seiten, 19,99 Euro.

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