"Man muss den Hunden etwas bieten"

8.7.2013, 00:00 Uhr

© Bernd Böhner

Ihr erster hieß Paul. Sah verdammt gut aus mit seinen schwarzen Locken. War neugierig, hatte immer gute Laune, ging offen und freundlich auf andere zu, machte manchmal sogar den Babysitter. Auf www.paarship.de wäre er im Handumdrehen weg gewesen. Aber er hatte die Frau fürs Leben ja schon gefunden.

Seit sie 18 wurde, hatte Petra Brenner, heute 54, immer einen Hund. Nach Paul, der im stolzen Alter von 17 Jahren starb, kam Bonnie, auch sie ein Mischling aus dem Tierheim, mit schönen Bernsteinaugen. Mit ihr begann die gebürtige Koblenzerin, die seit 30 Jahren in Erlangen lebt, erstmals systematisch zu trainieren und erlebte, welchen Spaß Hunde (und ihre Menschen) dabei haben können. Vor zehn Jahren baute sie außerdem eine eigene Hundeschule auf, wo sie an fünf Tagen der Woche bei jedem Wetter auf dem Platz steht. Reiner Spaß ist das längst nicht mehr, sondern Leidenschaft und lebensfüllende Aufgabe.

Geplant war das eigentlich nicht. Ebenso wenig wie die Zwillinge Carlo und Viktor, die sie 1987 zur Welt brachte. Sobald die beiden sie nachts durchschlafen ließen, machte sie ihren Studienabschluss – um am Ende als eine von vielen Theaterwissenschaftler(inne)n aus ihren Träumen vom Filmemachen aufzuwachen und festzustellen, dass die Jobperspektiven nicht phänomenal waren.

Und nun? Nun sind die Kinder erwachsen, Petra Brenner hat die Border Collies Lou und Pat, mit denen sie fast jedes Wochenende zu Hundeturnieren in ganz Deutschland fährt, wo sie und die Tiere schon viele Auszeichnungen bekommen haben. Und sie hat, seit zwei Jahren, Schafe – mittlerweile sieben Stück, die auf einer Wiese in Langensendelbach bei Erlangen stehen.

Border Collies brauchen eine Aufgabe

Schafe? Wieso Schafe? „Border Collies sind extrem arbeitsfreudige Hunde“, klärt sie auf. Die wollen beschäftigt werden. Die müssen sich auspowern können. Die brauchen eine Aufgabe. Ein bisschen spazierengehen und apportieren, schön und gut – für diese Hunderasse aber nicht schön und gut genug. Außerdem gelten sie als kleine Einsteins unter den Hunden, brauchen deshalb nicht nur körperliche, sondern geistige Herausforderungen, um ausgelastet zu sein. Brauchen damit ihren Menschen nicht nur für Streicheleinheiten und einen vollen Napf, sondern als Animateure.

Ein Club Méditérrané für Vierbeiner? Geht’s noch? Das dann doch nicht. Aber die mittelgroßen, meist schwarz-weiß gezeichneten Tiere stammen ursprünglich aus dem Grenzland („Border“) zwischen England und Schottland und sind berühmt für ihre hervorragenden Hüteeigenschaften. Das zu beobachten, wird selbst an einem verregneten Mai-Tag zum Ereignis. Pat, die zierliche, erst vier Jahre junge Hündin, ist kaum noch zu halten, sobald die Heckklappe des Autos sie ins Freie entlässt – während Lou (8), die wegen einer Verletzung pausieren muss, aus dem Wageninneren ihre ganze Enttäuschung herausheult. „Da – mein Bock!“, ruft die Schäferin erfreut. Weniger erfreut scheint Ferdinand selbst, der das hohe, nasse Gras kaum überragt und seine Besitzerin mit einem zaghaften „Mäh“ begrüßt, um ihn herum seine sechs Damen. Ferdinand schützt „seine Mädchen“, aber das Leitschaf ist nicht er, sondern Uschi. Das findet die Wahlfränkin, die einst in der Frauenbewegung aktiv war, gut und lächelt ein Romy-Schneider-Lächeln.

Ihre Befehle an Pat gibt sie angenehm leise, ohne Kommando-Ton. Wenn sie „lay down“ sagt, verschwindet Pat anstandslos im nassen Gras; nur die weiße Schwanzspitze ragt zwischen den Halmen hervor. Ihr hochkonzentrierter Blick fixiert jetzt ausschließlich Halterin und Schafe; dabei ist sie unruhiger als ein Ferrari auf der Pole Position. Die Ohren sind steil auf Empfang ausgerichtet, die Schnauze klebt am Boden, als wäre er mit Leckereien gepflastert. Vorsichtig, als wären sie Porzellanpüppchen, pirscht sie sich an die Schafe heran.

Pats momentane Aufgabe ist es, die sieben Schafe „zu bringen“, sie zu Petra Brenner hinzutreiben also, und zwar in der Gruppe. Dazu darf sie ihnen keinesfalls zu nahe an die Wolle rücken, sonst würden sie panisch auseinanderspringen. Es ist keine Kleinigkeit, einen bewegungsfreudigen Hund genau auf das Tempo und die Distanz einzustellen, die dabei jeweils nötig ist, und er dann blitzartig vom geduckten Schleichgang zum schnellen Umkreisen wechseln kann. Pat kriegt das schon hin, „meistens jedenfalls“, relativiert die strenge Trainerin. Heute präsentiert sich Pat in Hochform, bringt das siebenköpfige Wollknäuel direkt bis zu uns. Alle sind zufrieden, sogar die Schafe, nur Pat schaut erwartungsvoll zu Frauchen: mit dem Was-bitte-darf-ich-jetzt-gleich-als-Nächstes-tun-Blick.

Keine Frage, so sieht Spaß bei der Arbeit aus. Petra Brenner spricht sogar vom „Suchtfaktor“, der sich bei den Hunden einstellt, auch bei Turnieren, wo sie für meist nicht einmal eine Minute über den Platz flitzen, durch Stofftunnel wetzen, über Hindernisse springen; auf den Punkt genau müssen sie die geforderte Leistung des Parcours bringen; man spüre stark die Begeisterung der Tiere, die regelrecht zum „Turnier-Viech“ werden.

„Dabei nimmt der Hund jede kurze Unaufmerksamkeit des Menschen“ wahr, so entstehe eine sehr enge Beziehung zwischen Tier und Mensch, schwärmt sie. Das „Agility-Training“ – bei dem die Befehle vor allem mittels Körpersprache gegeben werden –, betreibt sie mit ihren Hunden schon länger; ein richtiger Sprintsport sei das, „fast wie Fußball“. Doch mit guter Kondition allein ist bei den Turnieren nichts zu holen. „Man muss“, sagt sie, „Hunde lesen und ihnen vermitteln können, was man will.“

Gerade mit dem Verstehen von Hunden hapert es ihrer Meinung nach zumindest anfangs bei manchem Hundehalter. „In meiner Hundeschule sind die Menschen immer sehr erstaunt, wenn ich ihnen sage, dass hier nicht nur das Tier, sondern auch sie selbst etwas lernen müssen.“ Viele Halter würden sich um die Bedürfnisse des angeblich besten Freundes des Menschen wenig Gedanken machen. „Aber selbst ein sogenannter Taschenhund muss seine Triebe ausleben können.“ Auch der Begriff „Familienhund“ sei irreführend; denn nicht nur der Hund müsse sich den Anforderungen der Menschen anpassen. Ein „ach so süßer“ Golden Retriever sei mit Knuddeln und einer halben Stunde Gassigehen einfach nicht ausgelastet.

Ein Hund der gefordert wird, ist ausgeglichener

Dadurch, dass ein Hund ausreichend gefordert werde, so ihre Überzeugung, sei er auch ausgeglichener und gehe weniger sogenannten „selbstlohnenden“ Aktivitäten wie dem unkontrollierten Stöbern oder Jagen nach, sobald er von der Leine gelassen wird. Doch obwohl das mittlerweile vielen Hundehaltern bewusst sei und sie sich bemühten, ihren Tieren öffentlichkeitskompatibles Verhalten beizubringen, beobachtet Petra Brenner seit Jahren eine zunehmende Intoleranz, ja Aggressivität, gegenüber Hunden. „Wieso läuft der blöde Hund da?“ – so oder so ähnlich sei sie beim ordnungsgemäßen Gassigehen schon mehrfach angeblafft worden. Dabei seien beispielsweise in Erlangen Radfahrer, die nonchalant alle Verkehrsregeln missachten, ein viel größeres Problem. Von den rasenden Mountainbikern in den Wäldern, wo man seinen Hund gar nicht schnell genug zur Seite ziehen könne, ganz zu schweigen

Auch der oft sensationsorientierten Berichterstattung in den Medien – Stichwort „Kampfhunde“ – weist sie eine Mitschuld daran zu, dass die Hysterie gegenüber den Tieren sich langsam ins Absurde steigere. „Das nervt“, gibt sie unumwunden zu und lächelt kein bisschen mehr wie Romy Schneider. Achtung gegenüber Hunden sei wichtig, Angst Unsinn. So hätten Kinder oft von sich aus einen sehr guten Respekt vor Hunden, bis ihre Erzieher ihnen genau das ausgetrieben hätten.

Zum entspannten Miteinander von Hunden und fremden Menschen müssten Hundehalter und Nichthalter gleichermaßen beitragen. Das Hütetraining betrachtet sie als ihren Teil. Ein geforderter Hund sei nicht nur glücklicher, sondern auch leichter zu halten. Seit drei Jahren arbeitet sie regelmäßig mit Pat und Lou, war sogar schon einmal in Wales, wo sie zuschauen konnte, wie die Schafe von den steilen Klippen weggehalten werden. „Das ist echte Hüte-Kunst“, sagt sie anerkennend. Die Leistung von Pat an diesem Nachmittag schmälert das nicht. Auch das schwierige „Shedden“, also zwei oder drei Tiere von den übrigen zu separieren, oder sie in ein kleines, abgestecktes Stück Wiese zu treiben – „das „Pferchen“ – schafft sie mit Bravour.

Weder beim Hüten noch bei den Turnieren gehe es ihr um zwanghaftes Leistungsdenken, beugt Petra Brenner Missverständnissen vor. Aber man sollte mit Hunden, „und zwar allen Hunden“, etwas tun, was ihnen entspricht. sie sinnvoll beschäftigen. Nicht zuletzt, um auch Hundegegnern zu zeigen, „welche tollen Sachen diese Tiere machen können“.

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