„Minister ist untragbar“

24.2.2011, 00:00 Uhr

Haben wir keine größeren Sorgen? Ein paar vergessene Fußnoten, einige abgekupferte Texte — was soll daran so schlimm sein? Rainer Elkar schüttelt entgeistert den Kopf, wenn er hört, wie der Fall Guttenberg teils verharmlost wird. „Wenn ein Soldat, der bei der Bundeswehr studiert, beim Plagiieren erwischt wird, kann das sehr ernste Konsequenzen bis zur Entlassung haben“, erklärt Elkar, der 16 Jahre an der Münchner Hochschule der Bundeswehr Wirtschafts- und Sozialgeschichte lehrte.

Der inzwischen emeritierte Professor, der in Nürnberg zur Schule ging, ist von dem Guttenberg-Skandal in doppelter Hinsicht berührt: als Wissenschaftler und als ehemaliger Angehöriger des Systems Bundeswehr. Der 65-Jährige war beispielsweise Vorsitzender des Prüfungsausschusses, der vor zwei Jahren einen bis dato vorbildlichen Offizier mit einer Beförderungssperre belegte, weil dieser in seiner Magisterarbeit abgekupfert hatte. Ein Tadel in der Personalakte, Geldstrafen, Degradierung, Entlassung — die Bundeswehr kennt, je nach Schwere des Vergehens, eine ganze Reihe von empfindlichen Strafen für Offiziere, die beim Unterschleif erwischt werden. Doch jetzt soll ihr oberster Dienstherr damit davonkommen, dass er auf das „Dr.“ vor dem Namen verzichtet?

Dienstherr zweier Unis

Elkar hält das für empörend: „Für mich ist der Mann als Verteidigungsminister nicht tragbar — und zwar nicht wegen der moralisch-wissenschaftlichen Seite, sondern weil er Dienstherr zweier Universitäten ist.“ Wie sollen, fragt Elkar, die Professoren an den Bundeswehrs-Unis in München und Hamburg Plagiate scharf ahnden, wenn ihr oberster Vorgesetzter vormacht, dass unsaubere Methoden folgenlos für die Karriere bleiben können?

Ähnlich argumentieren auch 69 Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität in München. In einem Schreiben, aus dem der Münchner Merkur zitiert, warnen sie vor den negativen Folgen, welche die Affäre Guttenberg auf die Ausbildung der Studenten zu exakt arbeitenden Wissenschaftlern haben könnte.

Elkar glaubt dennoch nicht, dass Guttenberg stolpern wird. Als Sozialwissenschaftler weiß er natürlich, wie beliebt der fränkische Adelige ist — bei der Mehrzahl der Bürger und auch bei vielen Soldaten. Zu Unrecht, wie Elkar findet, denn die Verehrung des Ministers beruhe vor allem auf der geschickten Selbstinszenierung Guttenbergs als reuiger Sünder.

„Guttenberg hat viele verhängnisvolle Fehler gemacht“, erklärt Elkar, „aber er hat immer wieder die Kurve gekriegt, sich korrigiert und ist zu seinen Fehlern gestanden.“ Das habe bei den Bürgern den Eindruck eines entschlossen handelnden, vor allem aber ehrlichen Politikers erzeugt. „Genau das ist er aber in meinen Augen nie gewesen“, ärgert sich Elkar, denn im Zuge der Guttenberg’schen Selbstbezichtigungen hätten immer andere für seine Fehler büßen müssen.

„Mit besonderer Verachtung sehe ich die Entlassung des Generalinspekteurs Schneiderhan und die Entfernung des Kapitäns der Gorch Fock von seinem Posten. Beide Schritte halte ich für völlig unangemessen“, bewertet Elkar die Kundus- und die Gorch-Fock-Affäre.

Diesmal allerdings wird der Minister keinen Sündenbock finden — für die Fehler in seiner Doktorarbeit muss er selber geradestehen. Ernsthaft beschädigt hat er dennoch mindestens eine Person — seinen Doktorvater Peter Häberle. „Wenn Guttenberg jetzt sagt, das war eine schlechte Doktorarbeit“, meint Elkar, „dann haut er damit seinem sehr verdienten Doktorvater eine runter, wie es der alte Mann nicht verdient hat.“

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