Missbrauchsvorwürfe: Fürther Katholiken sind irritiert

22.2.2011, 14:00 Uhr

Nach Angaben der Erzdiözese Bamberg hat sich das Opfer an den Bischöflichen Beauftragten für sexuellen Missbrauch, den Theologen und Psychotherapeuten Georg Beirer, gewandt. Dabei handelt es sich laut Staatsanwaltschaft Nürnberg um einen Mann, der zum Zeitpunkt des „einmaligen Vorfalls“ in den 80ern 15 Jahre alt gewesen ist.

Nach einer Befragung des Opfers und des beschuldigten Geistlichen hat die Erzdiözese Bamberg Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen erstattet. Erzbischof Ludwig Schick reagierte „sehr betroffen“ auf den Fall. Er werde dafür sorgen, „dass alles für die notwendige Aufklärung getan wird“, erklärte der Oberhirte. Der Priester, der bisher auch überörtliche kirchliche Funktionen hatte, ist mit sofortiger Wirkung „freigestellt“. Ihm sind alle priesterlichen Amtshandlungen und alle Tätigkeiten der Seelsorge ausdrücklich untersagt. Der Betroffene war gestern zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.

Tat bereits verjährt?

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg, Antje Gabriels-Gorsolke, bestätigte den Eingang der Strafanzeige, die das Missbrauchs-Ermittlungsverfahren gegen den Geistlichen ausgelöst hat. Über die Details der Tat wollte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft keine Angaben machen. Vorrangig werde nun geprüft, ob in dem Fall bereits eine Verjährung eingetreten sein könnte.

In verschiedenen Fürther Kirchengemeinden herrschte nach Bekanntgabe der Amtsenthebung im Rahmen der Gottesdienste am Sonntag Ratlosigkeit, Betroffenheit und Irritation. Die Menschen, so sagte ein älterer Kirchgänger gegenüber unserer Zeitung, hätten sich im Freien in Grüppchen zusammengefunden und sich gefragt, was denn da genau vorgefallen sein könnte. In der unmittelbar betroffenen Gemeinde sorgte der Auftritt des „Herrn aus Bamberg“ für einiges Aufsehen.

Einige Augenblicke lang sprachlos war Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD), als er von dem Verdacht des Missbrauchs erfuhr. „Es ist bedauerlich, was da in den 80er Jahren passiert sein soll“, sagte er dann und fügte hinzu: „In den Jahren, in denen ich den Mann kenne, kann ich jedenfalls nur Gutes über ihn sagen.“ Den Beschuldigten bezeichnete Jung als „keinen reinen Vollstrecker Roms“, sondern als einen Mann, den er selbst stets als „kritischen Geist“ erlebt habe, „der eine lebendige Kirche verkörpert“.

"Nicht im entferntesten vorstellbar"

„Absolut geschockt“ zeigte sich Hermann Braun (65), der bis Ende 2005 Geschäftsführer der katholischen Stadtkirche in Nürnberg war. Der in Fürth lebende 65-Jährige kennt den in Misskredit geratenen Geistlichen seit den 70er Jahren und schätzt ihn als „sehr intelligenten, auch impulsiven Mann“ und als „sehr guten Prediger, der immer über den Tellerrand hinausschaut“. Dass dieser Theologe nun im Verdacht steht, vor Jahren einen Jugendlichen sexuell missbraucht zu haben, sei für ihn „nicht im entferntesten vorstellbar“, sagte Braun.

Die Nachricht aus Bamberg hat gestern den Bundesvorstand der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg veranlasst, an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Priester gehörte als sogenannter Bundeskurat von 1995 bis 2001 der Leitungsspitze des größten katholischen Pfadfinderverbandes in Deutschland mit 95000 Mitgliedern an. „Uns schmerzt die Diskrepanz zwischen dem Ziel unserer Pädagogik, Kinder und Jugendliche zu stärken, und solch einer Tat“, heißt es in einer Stellungnahme des Verbandes.

Die Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft erklärte allerdings auf Anfrage, dass die angebliche Missbrauchstat nicht im Zusammenhang mit einer Einrichtung oder einer Veranstaltung der Pfadfinderorganisation stehe.

Unabhängig von dem aktuellen Fall hat der Pfadfinderverband mit „Erschrecken und Abscheu“ auf die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche reagiert und sich intensiv mit Präventionsstrategien befasst. So sollen Pfadfindergruppen immer von mehreren Personen gemeinsam geleitet werden. Außerdem legt die Organisation Wert darauf, dass „jeder Verdacht von Missbrauch unmittelbar zu verfolgen ist“.