Muhr am See: Lust auf Festspiele gemacht

11.4.2016, 06:56 Uhr
Muhr am See: Lust auf Festspiele gemacht

© Jürgen Eisenbrand

„Einmalig“ in doppelter Hinsicht, übrigens. Denn zum einen gibt es nur eine einzige Chance, die konzertante Aufführung der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill zu erleben – am Sonntag, den 24. Juli. Und zum anderen findet die Aufführung auf der Seebühne in Schlungenhof mit einer speziellen Sondererlaubnis der Erben Bert Brechts statt. Denn, so Schnell: „Eigentlich gibt es eine solche Genehmigung nur für Konzertsäle.“

Schnell musste sich also ans Telefon hängen und sich das Plazet der Erben einholen. Angesichts der Tatsache, dass die über das Werk des gebürtigen Augsburgers mit großer Strenge wachen – und zuletzt sogar eine nicht von ihnen autorisierte Inszenierung von Regie-Star Frank Castorf stoppten – ist Schnells Freude verständlich, das Okay bekommen zu haben. Und Theater-Fans eine echte Rarität anbieten zu können. Die von Hartmut Kühn gesungene „Moritat von Mackie Messer“ jedenfalls machte schon mal Lust auf mehr.

Probleme wie mit den Brecht-Erben gibt es mit Fitzgerald Kusz natürlich nicht. Im Gegenteil: Der Nürnberger entwickelt sich immer mehr zum „Hausautor“ der Festspiele, ist er mit „Höchste Eisenbahn“ doch bereits zum dritten Mal nacheinander mit einem Stück in Muhr vertreten – nach „Schweig, Bub!“ und „Letzter Wille“. Tina-Nicole Kaiser und Ursula B. Kannegießer spielen die beiden nicht mehr ganz jungen Schwestern Emmy und Betty, die sich seit Jahren gegenseitig fürchterlich auf die Nerven gehen. Bei einer gemeinsamen Zugfahrt eskaliert die Situation – noch mit dem Textbuch in der Hand gaben die beiden Protagonistinnen einen kleinen Vorgeschmack auf die zwei zänkischen Zicken-Schwestern.

„Wir lassen es krachen – aber ohne Blut“, verheißt Mirko Trott, der Regisseur des Stücks. Und Christian A. Schnell verspricht eine „wunderbare Schlammschlacht in der unverwechselbaren Manier von Fitzgerald Kusz“. Denn, so der Intendant im fast bis auf den letzten Platz gefüllten AIZ: „Dem Volk aufs Maul schauen – das kann er!“

„Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“ erleben in einer Inszenierung aus dem Vorjahr eine Wiederauferstehung – und können dennoch auf großes Publikum hoffen. Nicht umsonst war der Kritiker des Altmühl-Boten nach der Premiere regelrecht ins Schwärmen geraten: „Was Jon (gespielt von Jan Felski), Peter (Mirko Trott) und Chris (Jens-Ulrich Seffen) da abzogen, war einfach wunderbar.“

Zum Auftakt am 23. Juni inszeniert Schnell die Komödie „Dinner für Spinner“ von Francis Veber, einem (Drehbuch-)Autor, der mit Filmen wie „Die Filzlaus“ oder „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ Welterfolge feierte.

Muhr am See: Lust auf Festspiele gemacht

© Jürgen Eisenbrand

„Der Verleger Pierre Brochant und seine Freunde teilen ein extravagantes Hobby“, heißt es dazu in der Ankündigung der Festspiele: „Allwöchentlich veranstalten sie ein ,Dinner für Spinner‘, zu dem jeder der Gäste abwechselnd einen sorgfältig ausgewählten Gast mitbringt: einen absoluten Volltrottel, der dann zum Amüsement der anderen Gäste zum „Spinner des Abends“ gekürt wird.“ Doch als eines Tages der Fianzbeamte Francois diese Rolle übernehmen soll, läuft alles ganz anders als geplant.

Die zweite Premiere des Festivals findet morgens um 9 Uhr am Montag, 4. Juli, statt: „Der kleine Prinz“, ein Stück (nicht nur) für junge Besucher, für das Schnell derzeit noch eifrig am Text arbeitet: „Ich bin bei Kapitel 15 von 27.“

Das legendäre Werk von Antoine de Saint-Exupéry ist laut Schnell „erst seit ein paar Jahren frei zur Dramatisierung“, sodass die Zuschauer am Altmühlsee „eine Art Uraufführung erleben“ werden. Und weil das zeitlose Stück Weltliteratur, das „alle wichtigen Themen wie Liebe, Freundschaft, Moral und Menschlichkeit behandelt“, nicht nur für Kinder interessant ist, wird er „dieses wundervolle Stück“ an einem Abend (22. Juli) auch für Erwachsene aufführen.

Der große Renner der Festspiele soll freilich ein Musical werden: „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ mit der Musik der legendären Hildegard Knef. Die, gerade 50 Jahre alt geworden, beruflich erfolgreich, aber privat in einer tiefen Krise, begegnet sich in dem Stück selbst: der alternde Star der jungen Hilde. „Es beginnt eine schonungslose Abrechnung der Knef mit sich selbst“, verspricht das Programm.

Die Autoren des Musicals, James Edward Lyons und William Ward Murta, montierten Originaltexte von Hildegard Knef zwischen mehr als 30 Chansons und erzählen so das wahrhaft schillernde Leben dieses deutschen Weltstars, der „größten Sängerin ohne Stimme“, wie sie Jazz-Legende Ella Fitzgerald einst nannte. Als „etwas Ernsthaftes zum Nachdenken“ kündigt Christian A. Schnell diese Aufführung an, die am 21. Juli Premiere feiert. Und auch hier serviert er im AIZ eine kleine Kostprobe, die Appetit auf mehr macht: Tina-Nicole Kaiser mit einer eindrucksvollen Version des Titelsongs.

Sein neunköpfiges Ensemble versammelt Schnell ab 22. Mai zu ersten Proben in Berlin, ab 18. Juni finden in Muhr am See die Endproben statt. Und dann hofft der Intendant in erster Linie auf gutes Wetter – und auf mindestens ebenso viele Zuschauer (knapp 6000) wie im erfolgreichen Jahr 2015 – denn den Großteil des Etats von 130 000 Euro müssen die Muhrer Festspiel-Macher selbst einspielen, vor allem über die Eintrittsgelder.

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