Mutter mit zwei Kindern mitten in der Nacht abgeschoben

13.8.2018, 18:16 Uhr
Mutter mit zwei Kindern mitten in der Nacht abgeschoben

© Symbolfoto: Jens Büttner/dpa

Ein halbes Jahr lang hatte Monika Rügheimer die kleine Kira betreut. Als das Mädchen in die Familie kam, konnte sie noch nicht sprechen, geschweige denn sich auf Deutsch verständigen. Doch durch den Kontakt mit den anderen Kindern — als Tagesmutter betreut Rügheimer drei weitere Kleinkinder — änderte sich das schnell und Kira fing an zu plappern. "Die kommen da schnell rein", sagt Ehemann Jochen. Beiden war das kleine Mädchen aus der Ukraine ans Herz gewachsen. "Man hat ein Kind nicht einfach nur da, man gewinnt es auch lieb", betont der zweifache Vater. Auch zu Kiras Mutter, die sehr gut Deutsch gesprochen habe, hatte das Ehepaar einen guten Kontakt.

Ohne Vorwarnung

Doch dann tauchte Kira plötzlich ohne Vorwarnung einfach nicht mehr auf. "Das war ungewöhnlich", sagt Rügheimer. "Deshalb haben wir schon befürchtet, dass da irgendetwas nicht stimmt." Denn dass die kleine Familie das Land nach einem erfolglosen Asylantrag wahrscheinlich würde verlassen müssen, war dem Paar bekannt. Doch sei zuvor immer von Oktober die Rede gewesen, so der 54-Jährige.

Seine Frau forschte dann selbst in der Ziegelsteiner Flüchtlingsunterkunft nach und erfuhr, dass die Mutter und die beiden Kinder um 4 Uhr und damit mitten in der Nacht abgeholt worden waren — die Regierung von Mittelfranken begründet die Uhrzeit mit dem Abflug der Maschine in München um 10 Uhr. Empörend findet der Geologe diese Aktion. "Dass diese Familie von heute auf morgen, ohne weitere Information und ohne die Möglichkeit, sich abzumelden, mitten in der Nacht abgeholt und abgeschoben wird, übersteigt unsere Vorstellung. Das hat den Beigeschmack einer Deportation."

Seiner Empörung macht der Nürnberger auch in einem offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder Luft. Die kleine Familie sei ausgezeichnet integriert gewesen, "wir brauchen solche Menschen in Bayern". Der Freistaat habe es nicht nötig, in dieser "unmenschlichen Art" mit Asylbewerbern umzugehen.

"Es geht ums Prinzip"

Was Rügheimer außerdem ärgert: Noch ist unklar, ob die Familie nicht auch selber Einbußen haben wird, obwohl der Betreuungsvertrag nicht gekündigt worden war. "Dabei geht es uns nicht ums Geld, sondern ums Prinzip." Das Jugendamt prüft derzeit, ob die Gebühren für den August noch gezahlt werden können. Doch eigentlich habe die Behörde damit nur indirekt zu tun, sagt Amtsleiterin Kerstin Schröder. Denn der Vertrag wird zwischen den Tageseltern und der jeweiligen Familie geschlossen.

Allerdings trägt die Behörde die Kosten teilweise oder komplett, je nach familiärer Situation. "Wir stecken da in der Bredouille", betont Schröder. "Einerseits werben wir dafür, die Kinder aufzunehmen, andererseits können wir nicht helfen." Auch Kindertagesstätten sind davon betroffen, allerdings sind Schröder insgesamt nur wenige Einzelfälle bekannt. Und nicht immer haben sie einen so tragischen Hintergrund, manchmal verschwinden auch ganz normale Familien, ohne sich abzumelden.

Unabhängig davon hält es auch Schröder für wichtig, dass sich die Kinder wenigstens verabschieden können. Und dass gerade Mädchen und Jungen aus Migrantenfamilien in Kitas und bei Tageseltern betreut werden, ist in ihren Augen erst recht sinnvoll. Die Sprache zu lernen, einen Gegenpol zu den belastenden Fluchterlebnissen zu haben, andere Kinder kennenzulernen — all das sei dort möglich.

Brücken bauen

Deshalb will die Behörde gezielt "Brücken bauen" und schickt im Rahmen des gleichnamigen Projektes sogar Übergangsbegleiterinnen zu den Migranten, um ihnen eventuelle Ängste zu nehmen. "In vielen Ländern sind solche Einrichtungen nicht bekannt", betont Schröder. "Da gibt es teilweise Vorbehalte." Dabei sei der Besuch der Kitas sehr wichtig für die Integration.

Das betont auch Petra Kuch vom fmf-Familienbüro, das im Auftrag des Jugendamtes Kinder an Tagesmütter vermittelt, darunter auch einige Flüchtlingskinder. Oft entstehe da eine enge Bindung, sagt Kuch. "Viele Tageseltern kümmern sich auch um die Erwachsenen und helfen zum Beispiel bei Behördengängen." Zunächst gehe es darum, Vertrauen aufzubauen, "man braucht unheimlich viel Empathie". Umso bitterer sei es, wenn die Schützlinge dann, wie Kira, plötzlich nicht mehr kommen könnten. Sie könne die Notwendigkeit der nächtlichen Abschiebung überhaupt nicht nachvollziehen, betont die Geschäftsführerin. "Das nimmt alle Beteiligten mit."

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