Neue EU-Norm gefährdet Existenz kleiner Schlosserbetriebe

19.4.2014, 10:19 Uhr
Neue EU-Norm gefährdet Existenz kleiner Schlosserbetriebe

© M. Strauß

Warum? Die HZ sprach unter anderem mit Robert Lindner, der selbst um seinen Zwei-Mann-Betrieb in Eschenbach bangt. Es geht um Balkongeländer, Handläufe an Treppen oder Vordächer aus Stahl und Aluminium – Dinge, die zum täglichen Brot des Schlossers gehören. Solche tragenden Teile dürfen die Metallbauer nämlich streng genommen ab 1. Juli nicht mehr herstellen und einbauen – wenn sie kein entsprechendes EU-Zertifikat haben.

Und genau da liegt der Haken: Die Zulassung kostet bis zu 8000 Euro, eine Investition, die sich für viele kleine Schlossereien schlicht nicht lohnt. Hinzu kommen laufende kostenpflichtige Überprüfungen und der Betrieb müsse zum Teil komplett umgestellt werden, beklagen sich die betroffenen

"Werkseigene Produktionskontrolle“

Denn mit „DIN EN 1090“ müssen die Schlosser jeden Handgriff penibel dokumentieren, eine Arbeit, die für viele ohne zusätzliche Bürokraft – und damit weitere Kosten – wohl nicht zu stemmen ist. Es geht in erster Linie um Aufträge öffentlicher Bauherren, also Gemeinden, Ämter oder Kirchen. Privatpersonen, die freiwillig auf ein CE-Zertifikat am Treppengeländer verzichten, könnten weiterhin zu einem unzertifizierten Betrieb gehen, sind aber streng genommen nicht zur Bezahlung des Handwerkers verpflichtet.

Ein unkalkulierbares Risiko für die Schlosserzunft. Es ist ein ähnliches Phänomen wie vor rund fünf Jahren, als nur noch zertifizierte Metzgereien die Erlaubnis zum Schlachten bekamen. Damals kostete das vielen Fleischern ihre Existenz. Robert Lindner aus Eschenbach fürchtet genau das. Der 56-Jährige, der als Gustl Mollaths Unterstützer bekannt geworden ist, bezeichnet sich selbst als „Revoluzzer“ und wehrt sich mit Händen und Füßen gegen die EU-Norm: „Ich lasse mir das nicht gefallen, ich möchte meinen Betrieb nicht ausbauen und auch nicht mehr verdienen, ich will einfach so weiterarbeiten dürfen, wie bisher.“

Besonders von den Kontrollen und Prüfungen betroffen sind Schweißerarbeiten, die Robert Lindner täglich macht. Gerade arbeitet er an einem Geländer für eine Kirchentreppe. „Das darf ich dann alles nicht mehr machen“, sagt er mit einem Schulterzucken.

Er selbst ist gelernter Maschinenbaumechanikermeister und darf mit seiner Schweißerausbildung sogar Kleinflugzeuge bauen, „die Königsklasse“, wie er sagt. Umso mehr ärgert es ihn, dass er laut neuer EU-Norm sein Schweißerkönnen nochmal kostenpflichtig prüfen lassen muss. „Das ist, als hätte ich einen Ferrari in der Garage und müsste mit einem Käfer nochmal den Führerschein machen“, sagt Lindner. „Ich bin kein ewig Gestriger, aber dass ist schlicht und ergreifend Unfug.“

Er ist sich sicher, dass sich die Zertifizierung für seinen Zwei-Mann-Betrieb nicht lohnt. Etwa 30 Prozent seiner Arbeit, so schätzt er, wären von der neuen Norm betroffen. Bei Privatleuten dürfte er zwar noch Balkongeländer oder Handläufe anbringen, das Risiko, dann aber keinen Cent dafür zu sehen, bereitet ihm schon jetzt Magenschmerzen.

Thilo Zimmermann aus Röthenbach hat sich trotz großer Bedenken für die Zertifizierung seines Vier-Mann-Betriebs entschieden. „Mir bleibt ja nichts anderes übrig“, sagt er. Für ihn bedeutet die EU-Norm vor allem eins: Bürokratie. Profitieren würden nur die großen Schlosserbetriebe.

Der gleichen Meinung ist auch Cornelia Michel, stellvertretende Obermeisterin der Metall-Innung Nürnberg. „Kleine Betriebe werden mit einer Norm konfrontiert, die sie viel Geld kostet, die ,Großen’ zahlen das aus der Portokasse.“

Fortbildung und Qualitätssteigerung

Positiv sieht sie die von vielen Kollegen verteufelte Bürokratie: „Wir haben die Gelegenheit, unsere Arbeitsabläufe nochmal genau zu durchdenken, vorher wurde ja kaum etwas dokumentiert“, sagt sie. Außerdem könne sie so im Schadensfall lückenlos beweisen, dass sie korrekt gearbeitet habe.

Dieses Argument spricht auch laut Fachverband Metall Bayern für die „DIN EN 1090“. „Viele schimpfen, aber man muss sich eben auch mal hinsetzen und sich weiterbilden“, sagt dort Heinz Kelm. Die Regelung bringe eine Qualitätssteigerung und die Dokumentation diene der Sicherheit der Schlosser und ihrer Kunden.

Der Fachverband bietet Seminare für die Handwerker an, um sich zum Beispiel auf die ab 1. Juli verpflichtende Dokumentation der Arbeitsabläufe vorzubereiten. Robert Lindner will es gar nicht so weit kommen lassen.

Eine Zertifizierung kommt für ihn nicht in Frage. „Ich muss sehen, ob ich auch so klarkomme, ansonsten muss ich die Werkstatt eben zusperren.“

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