Flüchtlingsdrama in Österreich: Mehr als 70 Tote in Lkw

28.8.2015, 08:44 Uhr
In einem Lkw, abgestellt in einer Pannenbucht bei Parndorf, haben Dutzende Flüchtlinge ihr Leben verloren.

© dpa In einem Lkw, abgestellt in einer Pannenbucht bei Parndorf, haben Dutzende Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Das sagte Innenministeriumssprecher Alexander Marakovits der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Ermittler waren zunächst von bis 50 Toten ausgegangen. Der auf einem Pannenstreifen der Autobahn A4 knapp 50 Kilometer südöstlich von Wien abgestellte Lkw war Donnerstagabend in eine ehemalige Veterinärmedizinische Anstalt gebracht worden, wo eine entsprechende Kühlung vorhanden ist.

Die Leichen aus dem Laderaum sollen laut Polizeiangaben in der Gerichtsmedizin in Wien untersucht werden. Dabei soll unter anderem die Todesursache ermittelt werden. Bislang gehen Experten davon aus, dass die Menschen erstickten. Zudem bemühen sich die Gerichtsmediziner um die Feststellung der Identität der Opfer.

Unklar ist bisher auch noch, woher die Flüchtlinge stammten und wann sie gestorben sind. Mitarbeiter des Autobahn-Streckendienstes Asfinag hatten den 7,5 Tonnen schweren Lkw am Donnerstag im Autobahnabschnitt bei Parndorf (Bezirk Neusiedl am See) entdeckt.

"Diese Tragödie macht uns alle betroffen"

Der Lastwagen war aus Ungarn gekommen. Die österreichische Polizei hat mit Unterstützung ungarischer Ermittler eine Großfahndung nach den Schleppern in Gang gesetzt.

"Diese Tragödie macht uns alle betroffen", betonte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). "Schlepper sind Kriminelle. Und wer jetzt noch immer meint, dass es sanftmütige Fluchthelfer sind, dem ist nicht zu helfen."

Außenstellen an den EU-Grenzen nötig

Das Drama müsse ein "Signal an die europäische Ebene" sein, sagte sie. Es müssten an den EU-Grenzen endlich Außenstellen geschaffen werden, in denen Flüchtlinge sofort Schutz bekommen. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) sagte, die organisierte Schlepperei müsse europaweit konsequent bekämpft werden.

Die Staatsanwaltschaft nahm inzwischen nach eigenen Angaben Kontakt zu den ungarischen Strafverfolgungsbehörden auf. "Wir werden nichts unversucht lassen, den Fahrer und seine Hintermänner auszuforschen und das Verbrechen aufzuklären", sagte der leitende Staatsanwalt Johann Fuchs.

750 bis 800 Flüchtlinge täglich

Die Zahl der Flüchtlinge auf der westlichen Balkanroute ist nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 600 Prozent gestiegen. Der Zuwachs bei den Menschen, die über das Mittelmeer gekommen seien, liege dagegen nur bei fünf bis zehn Prozent, sagte de Maizière am Donnerstag in Nürnberg. "Das war nicht vorhersehbar."

Zurzeit kommen nach Angaben der Bundespolizei täglich 750 bis 800 Flüchtlinge über den Landweg von Griechenland über Mazedonien und Serbien nach Ungarn. Sie stammen demnach vor allem aus Afghanistan, Syrien und dem Irak, vereinzelt auch aus Pakistan und Eritrea.