Flug 4U9525: Copilot kannte Absturzgegend aus seiner Jugend

28.3.2015, 14:40 Uhr
Flug 4U9525: Copilot kannte Absturzgegend aus seiner Jugend

© Peter Kneffel (dpa)

+++ Polizisten durchsuchten am frühen Donnerstagabend die Wohnungen des Copiloten in Düsseldorf und Montabaur. Andreas L. war für den Absturztag krankgeschrieben, teilte die Staatsanwaltschaft mit. In seiner Wohnung habe man eine zerrissene Krankschreibung gefunden.

+++ Bereits seit Donnerstag vermutet die Staatsanwaltschaft: Der Copilot hat den Sinkflug bewusst eingeleitet. "Er wollte das Flugzeug zerstören", heißt es. Ein terroristischer Hintergrund wird ausgeschlossen.

+++ Wie sich am Samstag herausstellte, soll Andreas L. die Absturzgegend als Jugendlicher gut gekannt haben. Er war dort öfter im Urlaub.

+++ Der zentrale Gedenkgottesdienst soll am 17. April im Kölner Dom statt finden.

+++ Die Lufthansa will den Hinterbliebenen der Opfer des Flugzeugabsturzes eine finanzielle Soforthilfe von 50.000 Euro zukommen lassen.

 

Wie sich am Samstag herausstellte, soll der Copilot des Flugs 4U9525 die Gegend um den Absturzort als Jugendlicher gut gekannt haben. Er sei dort mit seinen Eltern und ihrem Flugverein zum Segelfliegen hingereist, sagte Francis Kefer vom Flugfeld in Sisteron dem französische Sender iTele. Sisteron liegt gut 40 Kilometer westlich der Absturzstelle in den südostfranzösischen Alpen.

Der Copilot des abgestürzten Germanwings-Fluges hat nach Erkenntnissen der Ermittler vor seinem Arbeitgeber eine Erkrankung verheimlicht. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf fand in der Wohnung des 27-Jährigen „zerrissene, aktuelle und auch den Tattag umfassende Krankschreibungen“, wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Freitag mitteilte. Abschiedsbrief oder Bekennerschreiben wurden nicht gefunden.

Ermittler hatten am Donnerstag zwei Wohnungen des Mannes durchsucht, der aus Montabaur bei Koblenz stammte und seit 2013 als Copilot für Germanwings flog. Sichergestellt wurden demnach Dokumente, „die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen“, erklärte die Staatsanwaltschaft. Über die Art der Erkrankung wurde nichts mitgeteilt, die Ermittler hatten aber nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden gesucht. Das Uniklinikum Düsseldorf bestätigte, dass der Copilot Andreas L. dort in Behandlung war, eine Sprecherin sagte aber: "Meldungen, wonach Andreas L. wegen Depressionen in unserem Haus in Behandlung gewesen sei, sind jedoch unzutreffend."

Das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig hat die Personalakte des Germanwings-Copiloten, der am Dienstag einen Airbus in den französischen Alpen zum Absturz gebracht haben soll, inzwischen geprüft. "Wir haben Einsicht in die Unterlagen genommen und die Erkenntnisse mündlich an die Staatsanwaltschaft gegeben", sagte Holger Kasperski vom Luftfahrt-Bundesamt am Samstag der dpa. Einen sogenannten SIC-Eintrag in der Akte wollte der Behördensprecher nicht bestätigen. Ein solcher Eintrag steht für besondere regelhafte medizinische Untersuchungen.

Der 27-jährige Andreas L. steht im Verdacht, den Piloten des Flugs 4U 9525 aus dem Cockpit ausgesperrt und den Airbus mit 150 Menschen an Bord mit voller Absicht auf Todeskurs gebracht zu haben. Die Auswertung des Stimmenrekorders hatte ans Licht gebracht, dass der Copilot seinem Kollegen nach einem Toilettengang nicht mehr die automatisch verriegelte Cockpit-Tür öffnete. Danach soll er nach derzeitigem Ermittlungsstand das Flugzeug eigenmächtig auf Sinkflug gebracht haben. Bis zuletzt seien auf der Aufnahme Atemgeräusche zu hören.

Gauck bei Gedenkfeier in Haltern

Bundespräsident Joachim Gauck nahm am Freitagvormittag an einem Gedenkgottesdienst im westfälischen Haltern teil. 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des dortigen Gymnasiums waren an Bord des Airbus. Gauck versprach den Angehörigen der Absturzopfer Unterstützung. Es entstehe ein „Band des Mitleidens und Mittrauerns“, sagte er nach dem Gottesdienst in Haltern. Er wurde von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begleitet. Auch in Düsseldorf fand ein Trauergottesdienst statt.

Der zentrale Gedenkgottesdienst soll am 17. April im Kölner Dom statt finden, dazu werden Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel und auch Vertreter aus Frankreich, Spanien und anderen Ländern, aus denen die Opfer stammen, erwartet.

Die Lufthansa kündigte am Freitag an, dass sie den Hinterbliebenen der Opfer 50.000 Euro Soforthilfe zahlen wolle. Damit sollen "unmittelbare Ausgaben" gedeckt werden.

Die Bergungsarbeiten, die am Samstag in den fünften Tag gehen, können sich in dem unwegsamen Gelände hinziehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt nach wie vor der Suche nach dem zweiten Flugschreiber, der noch immer nicht gefunden ist und weitere Erkenntnisse zum Geschehen im Cockpit liefern könnte. Rechtsmediziner arbeiten an der Identifizierung der bereits geborgenen, sterblichen Überreste.

Die Fluggesellschaft Germanwings, eine Lufthansa-Tochter, eröffnet am Samstag in der Nähe der Absturzstelle ein Betreuungszentrum für Angehörige. Für Freitag war ein vierter Sonderflug mit Hinterbliebenen aus Barcelona geplant. Der Bundesrat gedachte zu Beginn seiner Sitzung am Freitag der Opfer, unter denen nach Angaben des Auswärtigem Amtes 75 Deutsche waren.

Konsequenzen für deutsche Airlines

Für die deutschen Airlines kündigte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) Konsequenzen an. Kein Pilot dürfe sich in Zukunft mehr allein im Cockpit aufhalten, sagte Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow am Donnerstagabend der dpa.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) begrüßte die Ankündigung. „Das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit ist eine richtige Überlegung“, sagte er am Freitag der dpa. Air Berlin und Condor teilten mit, dass die Neuregelung bereits von Freitag an gelte. Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte am Donnerstagabend in der ARD, man habe sich mit allen anderen großen deutschen Airlines entschieden, am Freitag mit den Behörden zu überlegen, „ob es kurzfristig Maßnahmen geben kann, die die Sicherheit noch weiter erhöhen“.

Auch in Großbritannien ändern die meisten Airlines ihre Regeln nach einer Empfehlung der Flugsicherheitsbehörde. Die skandinavische Fluggesellschaft SAS, Air Baltic, Norwegian und Air Canada führen nach eigenen Angaben ebenfalls das Vier-Augen-Prinzip ein. „Das bedeutet, dass wenn einer der Piloten das Cockpit verlässt, etwa um auf Toilette zu gehen, eines der Crewmitglieder ins Cockpit gehen muss“, sagte eine Sprecherin der norwegischen Fluglinie der dpa. Von Air France hieß es, man verfolge aufmerksam die Entwicklungen und die Untersuchungsergebnisse.

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