Genua nimmt Abschied von Opfern der Brückenkatastrophe

19.8.2018, 13:57 Uhr
43 Menschen kamen nach aktuellen Angaben bei dem Unglück am Dienstag ums Leben.

© Simone Arveda/ANSA/AP/dpa 43 Menschen kamen nach aktuellen Angaben bei dem Unglück am Dienstag ums Leben.

Immer wieder unterbricht lautes Klatschen die andächtige Ruhe kurz vor der zentralen Trauerfeier nahe des Hafens von Genua. Es ist der Applaus für die Feuerwehrmänner und die anderen Retter, die in den vergangenen Tagen unermüdlich in den Trümmern des Polcevera-Viadukts nach Überlebenden gesucht haben.

Sie sind die Helden der Stadt in diesen dramatischen Tagen, ein Halt inmitten der großen Trauer über Dutzende Tote. Immer wieder auch Applaus, als die Tausenden Besucher auf Leinwänden die Särge der Opfer sehen. Mit Blumen verziert sind sie ganz vorne aufgereiht. Immer wieder treten Angehörige an die Särge heran, küssen und berühren sie, nehmen tränenreich Abschied.

Nie wurde die Bestürzung der Genuesen in den Tagen nach dem Einsturz der Morandi-Brücke deutlicher. 43 Menschen kamen nach aktuellen Angaben bei dem Unglück am Dienstag ums Leben. Die letzten Leichen wurden in der Nacht zum Sonntag aus den Trümmern geborgen. Vermisst wird offiziell niemand mehr.

Mehr als Tausend Helfer waren im Einsatz

Zahlreiche Menschen wurden teils schwer verletzt. Rund 600 Anwohner mussten ihre Wohnungen verlassen, mehr als Tausend Helfer waren im Einsatz. Fast jeder in dieser Stadt mit ihren gut 500.000 Einwohnern ist irgendwie von dem Unglück betroffen, geschockt, fassungslos.

Zur zentralen Trauerfeier am Samstag kommen rund 10.000 Menschen. "Auf Genua schaut derzeit die ganze Welt, in einer großen Umarmung aus Emotionen, Zuneigung und Erwartung", sagt Genuas Erzbischof, Kardinal Angelo Bagnasco. Keine Rechtsprechung könne das Verlorene zurückgeben. In einer bewegenden und ebenfalls von Applaus unterbrochenen Ansprache macht Bagnasco klar, dass der Tag der Staatstrauer auch ein Tag des Mutes für die Zukunft sein soll.

Genua habe mit dem Viadukt eine "essenzielle Arterie" verloren, aber die Stadt werde nicht aufgeben und kämpfen - wie schon in anderen schweren Situationen. Als ein Geistlicher die Namen der bisher identifizierten Opfer vorliest, gibt es erneut lauten Applaus.

Veranstaltung mit Beigeschmack

Genua nimmt die Herausforderung an. Dennoch hat die Veranstaltung einen Beigeschmack. Auch wenn die Trauerfeier allen Opfern gilt, stehen hier nur 18 Särge. Einige Angehörige von Opfern nehmen aus Protest nicht an der Zeremonie teil.

Sie halten das Schaulaufen der Politiker für eine Schande. Andere halten Trauerfeiern in ihren eigenen Gemeinden ab, wie etwa im piemontischen Alessandria oder im süditalienischen Torre del Greco. Alle beschäftigt weiterhin die Frage, wie es zu dem verheerenden Brückeneinsturz kommen konnte. Die Regierung hat ihre Schuldzuweisungen gegen den Betreiber der Autobahn Tag für Tag verschärft, doch aus der Sicht einiger Opfer-Familien trifft auch die Politik eine große Schuld. Die Katastrophe von Genua ist so innerhalb weniger Tage zu einem großen Politikum geworden.

Matteo Salvini, Italiens Innenminister und Chef der rechten Lega-Partei, erhält kräftigen Applaus und wird sehr herzlich empfangen, als er zur Trauerfeier eintrifft. Er hatte in den vergangenen Tagen seine Kritik am Betreiber der Autobahn und auch an der EU scharf formuliert. Premierminister Giuseppe Conte hatte am Freitag einen Prozess eingeleitet, um der privaten Betreibergesellschaft Autostrade per l'Italia ihre Lizenz zu entziehen.

Trauerfeier weitgehend unpolitisch

Das Unternehmen bestreitet aber Nachlässigkeit. Auch Vertreter der Firma kommen zu der Zeremonie. Später, bei einer Pressekonferenz nach der Trauerfeier, sagt Hauptgeschäftsführer Giovanni Castellucci, seine Firma könne keine Verantwortung für ein Ereignis übernehmen, dessen Ursache noch ermittelt werden müsse.

Dennoch verspricht er Hilfe für die Opferfamilien und die Menschen, die infolge des Unglücks ihre Häuser verlassen mussten. Die Trauerfeier an sich bleibt aber weitgehend unpolitisch.

Zu groß ist die Bestürzung und zu wichtig ein würdiger Abschied von den vielen Opfern, die völlig unvermittelt aus dem Leben gerissen wurden. Doch die Probleme für Genua werden kommen. Der 14. August 2018 wird die Stadt noch lange beschäftigen. Politisch, wirtschaftlich - und menschlich.

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