Gericht berät über Sterbehilfe: Muss Lambert leben?

8.1.2015, 11:32 Uhr
Gericht berät über Sterbehilfe: Muss Lambert leben?

© Foto: afp

Wenn 17 Richter der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg über Leben oder Tod von Vincent Lambert beraten, blickt ganz Frankreich auf die Anhörung. Denn der 38-jährige Lambert ist zum tragischen Symbol der Frage geworden, wie lange das Leben eines todkranken Menschen medizinisch aufrecht zu erhalten ist, wenn es keine Hoffnung auf Besserung seines Zustandes, aber auch keine eindeutige Willenserklärung des Betroffenen gibt.

Seit einem Verkehrsunfall 2008 ist der frühere Krankenpfleger querschnittsgelähmt und liegt im Koma in der Universitätsklinik in Reims. Die Ärzte beurteilen seine Gehirnverletzungen als „irreparabel“.

Doch seine Familie hat sich bei der Entscheidung über sein Schicksal entzweit und trägt den Streit darüber, ob man ihn sterben lassen soll, darf oder gar muss, in den Medien und vor Gerichten aus. Lamberts Frau Rachel und sechs seiner Geschwister sind für ein Ende der künstlichen Ernährung und die Zufuhr von Flüssigkeit, während seine Eltern und zwei weitere Geschwister dafür kämpfen, ihn am Leben zu erhalten.

Nachdem das oberste französische Verwaltungsgericht im Juni die Mediziner in Reims in ihrer Entscheidung bestärkt hat, die lebensverlängernden Maßnahmen zu beenden, legte der eilig von seinen Eltern angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Einspruch ein. Dessen Urteil wird allerdings erst in einigen Wochen erwartet. Gegner der Sterbehilfe, darunter die französische Bischofskonferenz, begrüßten die Entscheidung, den Koma-Patienten am Leben zu lassen. Kritik kam dagegen vor allem von Vertretern der Grünen, Linken und Sozialisten — aber auch von dem Arzt und konservativen Politiker Jean Leonetti. „Es geht bei Vincent Lambert nicht um Euthanasie, sondern um künstliche Lebensverlängerung“, erklärte er.

Gesetz von 2005

Leonetti ist Namensgeber eines Gesetzes von 2005, das passive Sterbehilfe in Frankreich erlaubt, während aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zur Selbsttötung verboten bleibt. „Die Behandlung muss nicht mit allen Mitteln fortgesetzt werden“, heißt es in dem Gesetzestext.

Eine Mehrheit der Franzosen befürwortet die Möglichkeit, das Leben von unheilbar erkrankten Menschen auf deren eigenen Wunsch hin und „in bestimmten Fällen“ zu beenden. Doch Vincent Lamberts Schicksal illustriert, wie schwer die Abwägung fallen kann.

Zu Präsident François Hollandes Wahlversprechen gehört eine Reform des Gesetzes, bei der er die bestehenden Regeln lockern möchte. Dazu gekommen ist es noch nicht.

Keine Kommentare