Bergsturz in der Schweiz: Kaum Überlebenschance für Vermisste

25.8.2017, 14:40 Uhr
Acht Menschen werden nach dem riesigen Bergsturz in der Schweiz vermisst.

© Giancarlo Cattaneo/KEYSTONE/dpa Acht Menschen werden nach dem riesigen Bergsturz in der Schweiz vermisst.

Ein gewaltiger Felsabbruch hat acht Deutsche, Österreicher und Schweizer beim Wandern in den Schweizer Alpen überrascht. Sie wurden am Donnerstag vermisst, wie die Kantonspolizei in Graubünden mitteilte. Polizei und Angehörige konnten die Wanderer im Bondasca-Tal telefonisch nicht erreichen.

Das Tal rund 35 Kilometer südwestlich von St. Moritz ist ein beliebtes Wander- und Bergsteigergebiet. In die beiden Berghütten in der Region hatten sich die Vermissten vor dem Naturereignis nicht gerettet: Hubschrauber brachten schon am Mittwoch 32 Besucher und Wirte ins Tal. Feuerwehr, Polizei, Militär und Zivilschutz waren nach Angaben der Behörden mit 121 Einsatzkräften im Einsatz.

Kaum Überlebenschance für Vermisste

Ob die Vermissten von herabfallenden Felsbrocken getroffen, von der anschließenden Schlamm- und Gerölllawine mitgerissen oder nur von ihrem Rückweg abgeschnitten wurden, war zunächst unklar. "Es war eine enorme Geröllmasse", sagte eine Polizeisprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Einsatzleiter Andrea Mittner erläuterte vor der Presse, in dem fünf Kilometer langen Gebiet hätten sich die Schuttkegel "mehrere zehn Meter" hoch aufgetürmt.

Die acht Vermissten seien nicht zusammen unterwegs gewesen, sagte Mittner. Er präzisierte nicht, wie viele Vermisste jeweils aus den drei Ländern stammten. Geprüft werde noch, ob fünf bis sechs weitere Vermisste zum Zeitpunkt des Felssturzes ebenfalls in dem Tal unterwegs waren. Nach den Vermissten werde mit Hubschraubern gesucht. Auch Suchhunde waren im Einsatz. Die Suche war der Polizei zufolge heikel, weil weitere Felsstürze drohten.

Die Überlebenschancen für die acht Vermissten nach dem gigantischen Bergsturz in der Schweiz sind nach aktuellen Informationen "nicht im hohen Bereich". Das sagte die Polizei bei einer Pressekonferenz zu dem Unglück am Freitag in der Unglücksregion in Graubünden. Die deutschen Wanderer unter den Vermissten stammen aus Baden-Württemberg. 

Die Polizei kenne auch die Herkunftsorte, sagte ein Sprecher. Sie wolle aber ohne Zustimmung der Angehörigen, mit denen sie in Kontakt stehe, keine näheren Angaben machen. Weitere Vermisste stammen aus der Steiermark in Österreich.

Retter waren weiterhin Einsatz. Sie wurden von Hubschraubern ins Hochgebirge gebracht und seilten sich ab, teils mit Suchhunden. Von den Vermissten fehlte dennoch jede Spur.

Alpinisten sprechen von einem Bergsturz und einem Murgang. Bei einem Bergsturz brechen Felsteile in steilem Gelände weg und donnern mit Schutt Richtung Tal. Bei einem Murgang schieben sich Schlamm und Geröll mit Wasser abwärts. "Natürliche Tau- und Gefrierprozesse fördern die Verwitterung des Gesteins", heißt es auf der amtlichen Informationsplattform für den Umgang mit Naturgefahren (Planat).

Murgang-Warnsystem rettete Leben

Der Bergsturz am 3369 Meter hohen Piz Cengalo war am Mittwoch so gewaltig, dass die Erdbebenwarte in Zürich die Erschütterungen registrierte. Nach Schätzungen rutschten bis zu vier Millionen Kubikmeter Geschiebe mit Schlamm mit größeren Gesteinsbrocken nach, wie die Lokalzeitung Engadiner Post berichtete. Das ist mehr, als die Außenalster in Hamburg an Volumen fasst.

Dennoch: Bergstürze sind in den Alpen nicht selten. "Dadurch, dass die Alpen ein geologisch junges Gebirge mit markanten hohen Berggipfeln und tief eingeschnittenen Tälern sind, stellen niederstürzende Gesteinsblöcke ein fast alltägliches Ereignis dar", heißt es auf Planat. Da die Polizei erst keine Vermissten meldete, gab es wenig Aufmerksamkeit für das Ereignis. Die Vermisstenmeldungen der Angehörige erreichten die Polizei erst viel später.

Die Einwohner des Örtchens Bondo im Tal sahen riesige Staubwolken aufsteigen. Ein vor nicht allzu langer Zeit eigens installiertes Murgang-Warnsystem rettete womöglich einigen das Leben: Der Alarm ging im Dorf los, und wenig später schoben sich die grauen Geröll- und Schlammmassen direkt auf das Dorf zu. Die Polizei brachte die rund 100 Einwohner rechtzeitig in Sicherheit. Die graue Masse schob knapp an dem Ort vorbei. Auf Bildern waren riesige graue Geröllwüsten zu sehen. Die Anwohner fürchteten Regenfälle. Die Auffangbecken seien mit Schlamm verstopft, dann drohten Überschwemmungen, hieß es.

Mehr Bergstürze durch Klimawandel

Ein Murgang ist ein gewaltiges Naturereignis. Aus der Ferne sieht er aus wie ein breiter Lavastrom. Riesige Felsbrocken stürzen dabei in einer Schlammlawine bergab und begraben Wiesen und Straßen unter sich. Bäume und Masten werden umgerissen, Ställe und Gebäude stürzen innerhalb von Sekunden ein und werden mitgerissen. In Bondo waren es zwei Ställe. Insgesamt wurden zwölf Gebäude beschädigt.

"Bergstürze lassen sich mit technischen Mitteln nicht verhindern", heißt es bei Planat. Gefährdete Gebiete sollten gemieden werden. Am Piz Cengalo waren 2011 schon einmal größere Felsstücke abgebrochen. Eine ähnliche Menge Geröll stürzte ab, blieb aber im hinteren Teil des Bondasca-Tals liegen.

Der Klimawandel könnte zu vermehrten Bergstürzen beitragen, berichtete die Arbeitsgruppe Naturgefahren des Kantons Bern. Wenn sich der Permafrost im Felsen zurückbilde, würden neue Trennflächen aktiv. Wenn sich Gestein ablöse, gebe es neue Fließwege für Wasser und neue Druckverhältnisse, was den Fels zusätzlich destabilisiere.

Der Artikel wurde am 25.08. um 14:45 Uhr aktualisiert.

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