Terrorgefahr: So erlebte ich das Wochenende in Brüssel

23.11.2015, 09:50 Uhr
Terrorgefahr: So erlebte ich das Wochenende in Brüssel

© Eva Orttenburger

Die Vorfreude war groß, als ich am Freitagvormittag vor Gate G23 am Münchner Flughafen stand und aufs Boarding wartete. Zusammen mit einem Komillitonen sollte es nach Brüssel gehen, um dort für zwei Tage einen Studienkollegen zu besuchen. Durch die Stadt bummeln, am Abend in eine Bar gehen, ein Abstecher zum Atomium - so war zumindest der Plan für den Kurztrip.

Nach unserer Ankunft gegen Mittag spazierten wir zuerst durch das zentral gelegene Europaviertel, um einen Blick auf das europäische Parlament, die Komission und die zahlreichen Vertretungen der einzelnen EU-Länder zu werfen. Zwei schwer bewaffnete Soldaten standen am Eingang zum "Komissions-Wolkenkratzer", ebenso vor allen anderen "EU-Gebäuden".

Mit der vollbesetzten Metro ging es am späten Nachmittag in die Innenstadt. Die Straßen waren belebt, eine ganze Schar an Touristen knipste fleißig Fotos auf dem Grand-Place - einem der Wahrzeichen der Stadt. In den angrenzenden Straßen waren feierwütige Studenten unterwegs, die singend und lachend die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Am Platz vor der Börse herrschte deshalb feinste Festivalstimmung. Die jungen Leute boten sogar einem Soldaten eine Dose Bier an. Der musste leider ablehnen, schmunzelte aber über so viel Lebensfreude.

Terrorgefahr: So erlebte ich das Wochenende in Brüssel

© Eva Orttenburger

Später am Abend machten auch wir uns auf den Weg in eine Disko im Zentrum der Stadt. Dort war die Stimmung ausgelassen,  bis wir in den frühen Morgenstunden vom Ausruf der höchsten Terrorwarnstufe für Brüssel erfuhren. Die Behörden sprachen von einer "ernsthaften und unmittelbaren Bedrohung". Was das genau bedeutete, wurde uns erst am nächsten Morgen so richtig bewusst: Der U-Bahn Verkehr war komplett eingestellt worden. Alle Geschäfte sollten nur noch bis 15 Uhr geöffnet sein. Der belgische Regierungschef warnte vor einem Anschlag mit "Waffen und Sprengstoff". Es gab eine Drohung, dass Attentäter an verschiedenen Stellen der Stadt Anschläge verüben könnten. Ganz Brüssel war in höchster Alarmbereitschaft. Auch Museen blieben geschlossen, alle Fußballspiele und Konzerte waren abgesagt.

Menschenleerer Jubelpark

Nach diesen Meldungen war ich kurzzeitig etwas fassungslos. Angst oder Panik hatte ich aber nicht, weil ich der Gefahr ja noch nicht unmittelbar begegnet war. Den geplanten Besuch des Atomiums mussten wir knicken. Dafür machten wir einen kurzen Spaziergang in den nahegelegenen Jubelpark. Schließlich konnten wir nicht den ganzen Tag in einer kleinen Wohnung verbringen. Auf dem Weg dorthin fuhr an einer Kreuzung eine ganze Kolonne von Panzern an uns vorbei in Richtung Zentrum. Wir blickten uns irritiert an. Langsam bekam ich ein mulmiges Gefühl. Es war eine Mischung aus Unbehagen und Unsicherheit, die wie ein Damoklesschwert über mir schwebte.

Der Platz vor und hinter dem Jubelbogen war wie leergefegt. Lediglich ein Pizzawagen stand dort, die Passanten konnte ich an einer Hand abzählen. Im Park selbst kam uns ein einziger Jogger entgegen. Es war unglaublich, wie sich eine Großstadt über Nacht so verändern konnte. Dort, wo sich vor einem Tag noch eine ganze Menschenmenge tummelte, war es so ruhig wie in meinem kleinen bayerischen Heimatort am Sonntag.

Bevor wir uns also - wie von der Regierung empfohlen - in die Wohnung zurückzogen, holten wir noch schnell Pommes an einer Bude in der Nähe. Trotz der Präsenz der Soldaten schaute ich mich bei jedem Geräusch automatisch um und musterte die anderen Leute in meiner Umgebung. Ich ärgerte mich wegen meines kleinen Wahns, den ich da entwickelt hatte. Das Schlimmste war aber das Gefühl der Unsicherheit: Nicht zu wissen, ob etwas passiert. Für den Rest des Tages waren wir uns deshalb einig, die Wohnung nicht mehr zu verlassen. Unsere Rettung gegen die Langeweile und das Ausharren hieß Bundesliga.

Rückflug nach Deutschland

Am Sonntagmorgen sollte der Flieger zurück nach Deutschland gehen. Mit dem Bus fuhren wir zum Flughafen. Auch hier hatte ich keine Angst, aber dieses komische Gefühl - wieder Unbehagen und Wachsamkeit. Schließlich galt die Terrorwarnstufe auch für den Brüsseler Flughafen und dort waren deutlich mehr Menschen unterwegs, als am Samstag in der Innenstadt. Auch hier standen an jeder Ecke schwer bewaffnete Soldaten. Eine Situation, die ich so zuvor noch nie erlebt hatte.

Die Sicherheitskontrolle am Flughafen verlief nicht anders wie bei bisherigen Flügen. Jacke und Rucksack wurden durchleuchtet, ich lief einmal durch die Kontrolle - fertig. Im Flugzeug las ich ein Interview über Steven Spielberg. Das Titelthema "Terror in Europa" wollte ich mir am Vormittag dann doch nicht geben - zu harte Kost nach diesem Wochenende. Meinen Ausweis oder den der anderen Passagiere hatte bei der ganzen Reise übrigens niemand kontrolliert. Als ich beim Landeanflug auf den Münchner Flughafen die schneebepuderten Felder unter mir sah, ließ auch das unbehagliche Gefühl wieder nach.

Alle Entwicklung zum Terror in Europa finden Sie in unserem News-Blog.

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