Tröglitz: Keine Kapitulation der Demokratie vor Brandstiftern

7.4.2015, 21:20 Uhr
Tröglitz: Keine Kapitulation der Demokratie vor Brandstiftern

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Dazu wird sich Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht am Dienstag (13.30 Uhr) mit dem zuständigen Landrat Götz Ulrich (beide CDU) in Magdeburg treffen. Geplant sei, dass in Kürze Flüchtlinge in privaten Wohnungen unterkommen, sagte Stahlknecht auf dpa-Anfrage.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte der Zeitung "Die Welt": "Wir rechnen mit Familien aus Syrien und anderen Bürgerkriegsgebieten." Man habe dort Kitas und Schulen zur Verfügung. "Wir arbeiten an einem Konzept, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt wir mit der Unterbringung beginnen. Wir weichen keinen Schritt zurück."

In der Nacht zu Samstag war in dem Flüchtlingsheim in Tröglitz ein Feuer gelegt worden. Es ist nun unbewohnbar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen schwerer Brandstiftung, der Staatsschutz ist eingeschaltet. Ob Fremdenhass das Motiv war, ist unklar. Die Ermittler halten aber einen politischen Hintergrund für naheliegend.

Seit Wochen hatten Rechtsextreme Stimmung gegen das Asylbewerberheim gemacht. Wegen Anfeindungen war im März Bürgermeister Markus Nierth (parteilos) zurückgetreten. Nun steht Götz Ulrich, der Landrat des Burgenlandkreises, wegen Drohungen unter Polizeischutz. Auch Nierth hat seiner Frau zufolge neue Drohungen erhalten.

Große Ermittlungsgruppe fahndet nach Tröglitz-Brandstifter

Eine eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe aus 17 Beamten will den Brandstiftern von Tröglitz auf die Spur kommen. Hinweise, die den Anschlag auf das noch nicht bezogene Flüchtlingsheim im südlichen Sachsen-Anhalt aufklären, würden mit insgesamt 20.000 Euro belohnt. Das kündigte der Direktor des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt, Jürgen Schmökel, am Dienstag in Magdeburg an.

Ermittelt werde in alle Richtungen, auch wenn es Vermutungen gebe, dass der Anschlag vom Ostersamstag aus der rechten Ecke heraus verübt worden sei. Gegen alle Proteste der rechten Szene halten das Bundesland und der zuständige Burgenlandkreis daran fest, in Tröglitz 40 Asylbewerber unterzubringen. Bundesweit ist die Empörung über den Brandanschlag groß.

Landrat Götz Ulrich (CDU) sagte: "Wir wollen am Zeitplan festhalten. Bis Ende Mai, Anfang Juni sollen an anderer Stelle in Tröglitz die ersten Asylbewerber untergebracht werden." Vorzugsweise sollen Familien einziehen. Tröglitzer Bürger hätten Wohnraum angeboten. Wie geeignet die Räume seien, werde in den kommenden Tagen geprüft. Bis das angezündete Wohnhaus für die Flüchtlinge wieder bezugsfertig ist, werde es noch Monate dauern, sagte Ulrich.

Laut LKA-Direktor Schmökel wurde der Brandanschlag in der Nacht zum Samstag zwischen Kontrollen zweier Polizeistreifen verübt. Der oder die Täter seien in das Haus eingebrochen und hätten mitgebrachten Brandbeschleuniger an verschiedenen Stellen verteilt. Die Polizei fand später Kanister. Konkrete Spuren habe die Polizei noch nicht.

"Bundesweites Problem"

Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt hält eine Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungen für die richtige Reaktion. "Ich würde es machen", sagte der stellvertretende Vorsitzende Ulrich Koehler der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe darum, in Tröglitz ein Zeichen zu setzen. "Sonst haben sich die anderen durchgesetzt", fügte der Rechtsanwalt mit Blick auf die Neonazis in der Region hinzu.

Ähnlich äußerte sich der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke. In dem Ort werde darum gekämpft, ob der Rechtsstaat funktioniere oder nicht. «Wir erleben einen Angriff der NPD, die dort alles tut, um die Aufnahme von Asylbewerbern zu verhindern und den Ort "rein zu halten", wie es in ihrer Sprache heißt.

"Da entscheidet sich, ob der Rechtsstaat und die engagierten Demokraten kapitulieren und von den Neonazis zurückgeschlagen werden", warnte Funke in der "Passauer Neuen Presse". Ministerpräsident Haseloff machte deutlich, dass der Brandanschlag von Tröglitz kein Einzelfall sei. "Es handelt sich um ein bundesweites Problem", sagte er. "Die Zahl der Übergriffe steigt im gesamten Bundesgebiet deutlich an. Tröglitz ist überall."

Nun müsse man sich "in der Bundespolitik mit dieser unsäglichen Entwicklung auseinandersetzen." Der Fall erinnert an den Brandanschlag auf geplante Flüchtlingsheime in Vorra (Lkr. Nürnberger Land), der im Dezember letzten Jahres für Entsetzen sorgte. Hier tappen die Ermittler immer noch im Dunkeln, ein rechtsextremer Hintergrund gilt jedoch als sehr wahrscheinlich.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der "Passauer Neuen Presse": "Was heute in Tröglitz geschieht, kann morgen anderswo passieren. Den Standort für die Unterbringung von Flüchtlingen aufzugeben, wäre ein fatales Signal."

Koehler sagte, in der Regel sei es leichter, Flüchtlingsfamilien zu integrieren, so wie es geplant sei, und nicht einzelne Flüchtlinge. Eine Unterbringung in Tröglitz ablehnen, etwa aus Angst vor Übergriffen, könnten Asylbewerber nicht. Die Betroffenen würden nach einem Schlüssel auf die Länder und dann auf die Gemeinden verteilt.

Derweil haben die Ermittlungen nach dem Brandanschlag in Vorra noch keine neuen Erkenntnisse gebracht. Ermittler arbeiten auch mit Beamten, die in Tröglitz ermitteln zusammen, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Taten aufzudecken. Allerdings sprechen keine Anzeichen bisher für einen Zusammenhang der beiden Brandanschläge.

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