Viele Wege führen zum Tod

4.4.2014, 17:20 Uhr
Erhängen statt Giftspritze? Auch das wird in den USA wieder diskutiert.

© colourbox.com Erhängen statt Giftspritze? Auch das wird in den USA wieder diskutiert.

Niemand vermag zu sagen, ob der 49-jährige Serienmörder Tommy Sells — er gestand 70 Tötungsdelikte quer durch die USA — bei seiner Hinrichtung durch die Giftspritze gelitten hat. Handgestoppte 13 Minuten dauerte es von der Injektion des Betäubungsmittels Pentobarbitol bis zum Zeitpunkt, als ein Gefängnismitarbeiter — kein approbierter Mediziner — am Donnerstagabend in Huntsville (Texas) den Tod feststellte.

Vorausgegangen war in den Tagen und Stunden vor der Exekution das mittlerweile übliche juristische Tauziehen: Anwälte des Delinquenten hatten einen Stopp der Prozedur mit dem Hinweis gefordert, sie benötigten die Bezugsquelle für die mittlerweile in den USA rar gewordene Chemikalie, um deren Qualität sicherstellen zu können. Der Bundesstaat Texas hatte protestiert, weil er Drohungen gegen den geheim gehaltenen Lieferanten befürchtete.

Gericht ließ Spritze zu

Auch der Oberste Gerichtshof wurde bei diesem Drama wieder angerufen und entschied: Die Hinrichtung darf stattfinden. Das Argument der Anwälte von Sells, ihr Mandant dürfe nicht unter Verstoß gegen die Verfassung übermäßigem Leiden und Schmerz ausgesetzt werden, wurde abgeschmettert — obwohl bis heute kein wissenschaftlich abgesichertes Hinrichtungs-Protokoll für Pentobarbitol existiert, in dem Menge und Reinheit der Substanz festgelegt wurden.

Texas nimmt seit einiger Zeit Exekutionen damit vor, weil der zuvor benutzte Dreier-"Cocktail" — eine Mischung von drei zeitversetzt verabreichten Giften — ebenfalls in Verruf gekommen war und Lieferschwierigkeiten bestehen.

Wozu diese Experimente führen können, hatte am 16. Januar diesen Jahres die Exekution von Dennis McGuire in Ohio gezeigt. Zehn Minuten lang kämpfte der 53-Jährige für alle Zeugen und seine Angehörigen gut sichtbar gegen Luftnot und erst nach 26 Minuten trat der Tod ein, nachdem der Bundesstaat erstmals eine Überdosis eines Beruhigungsmittels und eines Schmerzmittels in seine Venen injizieren ließ. Er sei langsam erstickt, anaylsierten Mediziner später angesichts der Berichte. Ein Arzt befand sich bei diesem Erstversuch nicht im Raum.

Häufige Lieferprobleme

Angesichts der erhitzten Debatten um die Wirksamkeit und Zumutbarkeit dieser neuen Methoden wird mittlerweile in einigen US-Bundesstaaten von Politikern und Volksvertretern die Frage gestellt, ob es nicht an der Zeit sei, zu bewährten alten Hinrichtungsmethoden wie dem Erschießungskommando, dem Erhängen oder dem Elektrischen Stuhl zurück zu kehren — zumal angesichts der Ächtung der Chemikalien-Lieferanten im In- und Ausland keine Verbesserung bei den Lieferproblemen absehbar ist.

Der Abgeordnete Rick Brattin aus Missouri schlägt beispielsweise vor, Todeskandidaten wieder erschießen zu lassen und begründet dies mit den Worten: "Wir müssen eine Lösung finden, die möglichst human wie auch ökonomisch ist." Gleichzeitig halten Brattin und einige Kollegen es für nicht hinnehmbar, dass Angehörige von Verbrechensopfern angesichts der juristischen Auseinandersetzungen jahrelang auf Gerechtigkeit warten müssen. In Wyoming gibt es eine ähnliche Diskussion.

Für Zeugen besser erträglich?

Fast alle US-Bundesstaaten waren vor rund 30 Jahren zum Tod durch die Giftspitze übergewechselt, weil man glaubte, diese Hinrichtungsart bereite den Häftlingen weniger Schmerzen. Auch wurde angenommen, für die notwendigen Zeugen sei dieses Spektakel besser erträglich.

Über die "Humanität" anderer Methoden gibt es aber ebensowenig verläßliche Erkenntnisse. Lediglich ein einziges Mal wurde im Bundesstaat Utah bei einer Exekution durch Erschießen unter Zustimmung des Totgeweihten ein EKG aufgezeichnet. Fünf Freiwillige feuerten aus wenigen Metern Entfernung auf ein Stück Papier, das die Position des Herzens markierte. Nach 19 Sekunden zeigte das Herz keinerlei Reaktionen mehr. Doch diese Exekutionsform ist derzeit nicht mehr wählbar.

In acht Bundesstaaten können die Delinquenten aber immer noch zwischen der Giftspitze und dem Tod durch den Elektrischen Stuhl (im Volksmund "Old Sparky" genannt) entscheiden. Die letzte Hinrichtung durch Stromstöße fand im Januar 2013 in Virgina statt. Über das Ausmass des Leidens des Exekutierten ist nichts bekannt: Das Gesicht von Robert Gleason war mit einer Maske verdeckt und sein Körper im Stuhl festgeschnallt. Er hatte diese Todesform vor allem deshalb gewählt, weil er im Sitzen sterben wollte.

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