Vor genau 40 Jahren lief in Emden der letzte Käfer vom Band

19.1.2018, 21:38 Uhr
Vor genau 40 Jahren baute VW in Emden den letzten deutschen und europäischen Käfer, der von der Belegschaft mit Blumenschmuck verabschiedet wurde. Heute ist das Kultmobil ein gefragter Oldtimer.

© dpa Vor genau 40 Jahren baute VW in Emden den letzten deutschen und europäischen Käfer, der von der Belegschaft mit Blumenschmuck verabschiedet wurde. Heute ist das Kultmobil ein gefragter Oldtimer.

"Ente", "Bulli" oder "Knutschkugel": Liebevolle Spitznamen für echte Kultautos, die auch noch Jahrzehnte nach ihrem offiziellen Abschied über die Straßen rollen. Wie der "Käfer" – der Volkswagen, mit dem VW nach dem Zweiten Weltkrieg zur globalen Marke aufstieg. "Er war weder schnell noch besonders sparsam, vom Komfort ganz zu schweigen", heißt es rückblickend im Konzernarchiv. Aber trotz etlicher Eigenheiten wird das urige Vehikel ein Erfolgsmodell rund um den Globus.

Wirtschaftswunder auf vier Rädern

Vor 40 Jahren läuft schließlich der letzte in Deutschland produzierte Käfer im ostfriesischen Emden vom Band: VW-Mitarbeitern tränen die Augen, als nach 16.255.500 Exemplaren am 19. Januar 1978 eine Ära zu Ende geht. Angefangen hatte alles mit einem Entwurf von Ferdinand Porsche. Der Ingenieur nimmt 1933 einen Auftrag von Adolf Hitler an, ein billiges Volks-Auto für alle Schichten zu entwickeln. Porsche greift dazu eine Idee des Konstrukteurs Béla Barényi aus den 1920er Jahren auf und 1939 soll der kugelige "Kraft-durch-Freude-Wagen" in Serie gehen.

Doch mit dem Zweiten Weltkrieg rollen erst mal Kübelwagen für die Wehrmacht vom VW-Band an die Fronten in Nordafrika oder Russland. Erst 1947 können Privatpersonen die ersten VW-Modelle kaufen. Das Wirtschaftswunder auf vier Rädern aus Wolfsburg ist dann nicht mehr zu bremsen und schon 1955 feiert Volkswagen das millionste Exemplar. "Made in Germany" kommt auch in den USA gut an, wo der "Beetle" zum Verkaufshit wird. "Er läuft und läuft und läuft...", heißt es in der Werbung.

Gebaut in Hallen ohne Dach und Heizung

Für seinen Exportschlager lässt der Konzern anno 1964 ein neues Werk in der Hafenstadt Emden errichten. Willi Kuroswki (heute 83 Jahre alt) baut als Maurer die Hallen mit auf und wird später als Schweißer im Karosseriebau übernommen. "Zu Beginn wurden wir in Wolfsburg geschult, und danach ging es zurück nach Emden", erinnert er sich. Am Anfang werden zehn Käfer pro Tag produziert, die einzelnen Teile kommen aus Wolfsburg. Beulen und Spaltmaße werden mit Zinn ausgeglichen, heute undenkbar.

"Die Hallen waren teilweise ohne Dach und unbeheizt, und so haben wir uns in den Pausen am Lagerfeuer gewärmt. Es war eine tolle Kameradschaft damals, und viele Freundschaften halten bis heute", schwärmt der Pensionär. "Der Käfer hat VW zum Weltunternehmen gemacht, dieses aber Anfang der 1970er Jahre fast in den Untergang geführt“, sagt Autoexperte Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen. Denn VW war wegen des Erfolgs der irrigen Meinung, das würde ewig so weiter gehen, wie Diez erklärt: "Aber der Markt hatte sich verändert, und der VW-Käfer sah plötzlich nicht nur alt aus, sondern war auch technisch veraltet."

Hätte der Golf als Käfer-Nachfolger nicht gleich voll eingeschlagen, wäre VW wohl nicht mehr zu retten gewesen, schätzt der Branchenexperte im Rückblick. Aber so legte der Käfer-Erfolg gerade rechtzeitig den Grundstein für seinen Nachfolger, der bis heute in zahlreichen Modellen auf den Weltmärkten gefragt ist. "Dennoch: Weder vorher noch nachher hat es ein Auto gegeben, das global so bedeutend war wie der Käfer", meint Diez. Der Wagen sei in Europa, Nordamerika und Lateinamerika erfolgreich gewesen: "Vielleicht war es das erste 'Welt-Auto' überhaupt." 

Das endgültige Aus für den Käfer kommt erst im Jahr 2003: In Mexiko wird der letzte Ur-Volkswagen mit dem luftgekühlten Boxer-Motor im Heck montiert. Kein anderes Automobil wird bis 2002 so oft hergestellt, mehr als 21,5 Millionen Käfer liefen ab 1938 weltweit aus den VW-Hallen.  Zurück bleibt der Mythos um ein Kultauto. Es sorgte etwa als Filmstar "Herbie – ein toller Käfer" für Kapriolen in Hollywood-Filmen. Die begehrten Oldtimer werden heute zu astronomischen Preisen gehandelt. "Für einen Brezelkäfer mit der geteilten Heckscheibe werden je nach Zustand bis zu 30.000 Euro gezahlt", sagt Henry Hackerott, der in Hannover große Käfer-Treffen organisiert.

Überzeugte Käfer-Liebhaber gibt es auch in Nürnberg und der Region, zum Beispiel den 71-jährigen Werner Höllriegl aus Stein im Landkreis Fürth. Der fährt sein Käfer-Cabrio sogar im Winter offen. Und auch in der katholischen Kirche spielte der Käfer eine gewisse Rolle: Ein Exemplar aus der allerletzten Serie wurde Papst Johannes Paul II. überreicht. 

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