Wieder Flüchtlingsschiffe in Seenot: EU beruft Krisengipfel ein

20.4.2015, 19:36 Uhr
Immer wieder kentern Flüchtlingsschiffe im Mittelbeer, völlig überfüllt und hoffnungslos veraltet.

© dpa Immer wieder kentern Flüchtlingsschiffe im Mittelbeer, völlig überfüllt und hoffnungslos veraltet.

Nach dem verheerenden Flüchtlingsunglück mit wahrscheinlich Hunderten Toten sind im Mittelmeer erneut Boote mit Migranten in Seenot geraten. Italien und Malta hätten nach Hilferufen der drei Boote Rettungseinsätze eingeleitet, sagte Italiens Regierungschef Matteo Renzi am Montag nach einem Treffen mit Maltas Premierminister Joseph Muscat.

Ein Schlauchboot mit 100 bis 150 Menschen an Bord befand sich laut Renzi am Nachmittag etwa 55 Kilometer vor der Küste Libyens. Auf einem größeren Schiff seien etwa 300 Menschen. Erst am Wochenende war ein Fischerboot nördlich der libyschen Küste und unweit der italienischen Insel Lampedusa gekentert. Weit mehr als 700 Menschen könnten gestorben sein – was das schlimmste Flüchtlingsunglück im Mittelmeer wäre. Nach Aussagen eines Überlebenden waren 950 Menschen an Bord, darunter viele Kinder.

"Schmuggler haben die Türen geschlossen"

Der von der Staatsanwaltschaft in Sizilien befragte Mann aus Bangladesch gab an, viele Menschen seien zum Zeitpunkt des Unglücks im Laderaum eingeschlossen gewesen. "Die Schmuggler haben die Türen geschlossen und verhindert, dass sie herauskommen", sagte er laut italienischer Medien. Die Hintergründe waren unklar. Die italienische Küstenwache barg bislang 24 Leichen. Sie wurden nach Malta gebracht und sollen dort bestattet werden. 28 Menschen wurden gerettet. Retter suchten nach weiteren Überlebenden, doch die Hoffnung schwand.

Derweil macht die Europäische Union die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer zur Chefsache. "Das kann nicht so weitergehen", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montag. Bei einem Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel könnten die Staats- und Regierungschefs als Teil eines Zehn-Punkte-Plans eine Aufstockung der Seenothilfe beschließen. Nach den Worten von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gibt es Überlegungen, das Budget und die Zahl der dafür eingesetzten Schiffe kurzfristig zu verdoppeln. Damit reagiert die EU auch auf massive Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik.

Die Hunderten von Toten seien Ergebnis eines anhaltenden Politikversagens und eines "monumentalen Mangels an Mitgefühl", sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, in Genf. Statt nach sinnlosen strengeren Abschottungsmaßnahmen zu rufen, müsse die EU endlich legale Fluchtwege und mehr Rettungskapazitäten für das Mittelmeer bereitstellen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die EU auf, "Solidarität zu zeigen, indem sie ihre Unterstützung beschleunigt". In der Stunde ihrer größten Not benötigten die Flüchtlinge mehr Schutz.

Der italienischen Küstenwache zufolge war ein Fischerboot mit Hunderten Flüchtlingen an Bord in der Nacht zum Sonntag etwa 70 Seemeilen (130 Kilometer) vor der libyschen Küste gekentert. 24 Leichen wurden demnach geborgen, 28 Menschen gerettet. Ein Überlebender sprach von bis zu 950 Menschen an Bord.

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