Pater Anselm sprach in Heroldsberg über Lebenskrisen

11.2.2017, 06:00 Uhr
Pater Anselm sprach in Heroldsberg über Lebenskrisen

© Isabel Krieger

Da sitzt er, ein alter Mann mit weißem Haar, in einer schwarzen Kutte still auf der Bank hinter dem Altar. Die dunklen Augen sind für einen Moment geschlossen, als Ewald Maier, Präsident des Lions-Clubs, die Zuhörer in der voll besetzten Kirche begrüßt. Anselm Grün, sagt Maier, richte mit seinen Worten „andere Menschen auf“.

Der Pater steht auf und geht langsam zum Pult. Mit leiser Stimme steigt er unmittelbar ins Thema ein. „Quellen innerer Kraft“ will er an diesem Abend den Menschen mitgeben. So heißt auch eines der mehr als 300 Bücher, die Anselm Grün in den vergangenen Jahrzehnten geschrieben hat. Mehr als 14 Millionen Mal haben sie sich verkauft. Die Menschen hören ihm zu, lesen und saugen seine Botschaften auf wie Verlorengegangenes. Der Theologe und Philosoph erreicht mit seinen Büchern die Müden, die Ausgebrannten, die Sinnsucher, die Neugierigen und die, die den Glauben irgendwann auf der Strecke des Lebens verloren haben und ihn gerne wiederentdecken würden.

Auch an diesem Abend, in dem der Aufmerksamkeitsgrad in der katholischen Kirche so hoch ist wie selten. Alle Blicke sind auf den schmalen Mann in Schwarz gerichtet, der die Hände hebt, wenn er erzählt und seine Botschaften mit vielen Beispielen von Menschen, die ihm begegnet sind, belegt. Die Erkenntnis, dass das Leben nur dann gut ist, wenn es das eigene ist, und nicht das übergestülpte, wenn Liebe, Sanftmut, Nehmen und Geben und der Glauben darin ihren Platz haben, ist die zentrale Aussage, die der 72-Jährige mit auf den Weg geben will. Er weiß, wovon er spricht: Seit 26 Jahren begleitet Anselm Grün Menschen, die mitten im Leben nicht mehr können. Es sind Priester, Manager, beruflich erfolgreiche Menschen, denen er als spiritueller Berater und geistlicher Begleiter Beistand leistet und die, das Wort fällt gleich zu Beginn, dem Burnout, dem Ausbrennen, nicht rechtzeitig vorgebeugt haben.

Fast immer hat der Druck, eigenen Ansprüchen oder Erwartungen anderer Menschen zu genügen, dazu geführt, meint der Pater. Burnout bedeute, „keine eigenen Bilder“ mehr im Kopf zu haben, fremde Bilder zu leben. Auch der ehemalige Cellerar der Abtei Münsterschwarzach, der im Jahr mehrere Dutzend Vorträge hält, kennt die Momente, wenn alles zu viel und die Müdigkeit übersprungen ist. „Dann braucht es Ruhe“. Grün nennt das die „heilige Zeit“, in der die inneren Quellen, die jeder in sich trage, wieder an die Oberfläche gelangen können. Dabei gehe es nicht darum, plötzlich alles anders zu machen, das schaffe noch mehr Druck, sondern Rituale und Erinnerungen zu pflegen, mit sich im Reinen zu sein.

Wie das gelingt, auch dafür hat der 72-Jährige zahlreiche Beispiele. Es sind einfache Dinge wie Natur bewusst erleben, Lesen, Schönem wie der Kunst oder der Musik Raum geben. Und natürlich dem Glauben. Auch wenn der Unglaube den ein oder anderen gelegentlich daran zweifeln lasse. „Wir haben immer beides“. Am Ende des gut einstündigen Vortrags lädt Grün die Zuhörer ein, dem Raum zu geben, die eigenen Widersprüchlichkeiten zu akzeptieren und sich damit zu umarmen. Ein Abschlussritual, das er in seinen Vorträgen deutschlandweit schon mit tausenden Menschen zelebriert hat. Die Zuhörer in St. Margaretha stehen auf und kreuzen die Arme vor der Brust. Während Anselm Grün spricht, kann man eine Stecknadel fallen hören.

Der Applaus danach ist so lang, wie die Schlange am Büchertisch im Vorraum. Geduldig signiert der Benediktinerpater jedes einzelne verkaufte Buch. Es sind viele.

Von dem Erlös des Abends, stolzen 2700 Euro, die der Lions-Club über den Kartenverkauf eingenommen hat, gehen 1250 Euro an das Kloster Münsterschwarzach, 1250 Euro an die Caritas und 200 Euro an die Kirchengemeinde St. Margaretha.

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