Perfektes Handwerk, wenig Herzblut

11.10.2012, 00:00 Uhr

Schon die ersten beiden Szenen des Films machen das überdeutlich: Sie kommen als wacklige Videoaufnahmen daher und lassen uns in einen Folterkeller irgendwo in Mexiko blicken. Ein paar vermummte Gestalten schreiten eine Reihe kniender und gefesselter Gefangener ab, es handelt sich ganz offenbar um eine Exekution. Wir hören, wie eine Kettensäge angeworfen wird. Schnitt – in seiner Doppeldeutigkeit natürlich genau so beabsichtigt – und Szenenwechsel zu einer blonden, leicht bekleideten Beach-Schönheit (Blake Lively), die – sie ist gleichzeitig auch die Erzählerin – versonnen aufs Meer schaut. Dazu rauschen die Wellen.

Von der

Hölle ins Paradies

Gerade noch mitten in der Drogenhölle, dann entspannt im Paradies. Und bald, das ist klar, werden beide Welten in Konflikt geraten. Die Erzählerin hätte einen gar nicht extra vorwarnen müssen. Noch keine drei Minuten sind vergangen, und Hollywoods ehemaliger Skandalregisseur Oliver Stone hat eine perfekte Exposition abgeliefert. Nur tut er es so routiniert und glatt, dass man schon ahnt, was das Problem des gesamten Films sein wird: perfektes Handwerk, wenig Herzblut.

Dabei hätte die Romanvorlage – sie stammt vom hochgelobten Thriller-Autor Don Winslow – das Zeug zum Filmhit gehabt, das zeigt schon manch schöne Dialogzeile. Ansonsten aber ist die Geschichte des kalifornischen Liebestrios Ben (Aaron Taylor-Johnson), Chon (Taylor Kitsch) und Ophelia (die blonde Schönheit vom Anfang), die mit ihrer konkurrenzlos hochwertigen Marihuanaproduktion ein feindliches Übernahmeangebot der mexikanischen Mafia provozieren, zu unentschlossen auf oberflächliche Unterhaltungszwecke hin inszeniert, als dass sie einen wirklich vom Hocker hauen könnte.

Dabei ist nicht einmal das größte Problem, dass die drei knackigen Jungstars im Mittelpunkt des Geschehens vom Regisseur mehr als sexy Projektionsfläche denn als tragende Schauspielsäulen genutzt werden. Dieses Manko wird einigermaßen wettgemacht durch einige Charakterköpfe in den wichtigsten Nebenrollen: Salma Hayek als durchtriebene Mafiapatin, Benicio del Toro als deren skrupellosen Vollstrecker und John Travolta als korrupter Drogenfahnder.

Schlimmer ist, dass Stone sich offensichtlich nicht entscheiden wollte, was sein Film denn nun sein sollte: brisantes Gesellschaftsporträt, schnelles Kult-Movie oder provokanter Schocker. So bleibt am Ende nur: „Jung. Sexy. Tödlich“. Das ist anfangs ganz nett, trägt aber auf Dauer nicht wirklich. (CINECITTA; Erlangen: CINESTAR)

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